Die Bürgerinnen und Bürger jüdischer Herkunft und Religion gehören seit 325 Jahren zu Delmenhorst dazu. 1695 kamen die ersten zwei Juden nach Delmenhorst. Es handelte sich um Levin Lazarus und den Schlachter Joseph Abraham. Sie kamen nicht als Flüchtlinge, sondern als Zuwanderer mit Potential, unter dem Schutz des Grafen von Oldenburg-Delmenhorst. Das hatte die Stadtrechtsurkunde von 1371 versprochen und bestätigt.
Zuwanderer mit Potential unter gräflichem Schutz
Der Landesherr sah in der Ansiedlung eine große Chance und einen Zugewinn für die oldenburgischen Städte. Gegen Zahlung eines Schutzzolls erhielten die Juden das Recht, sich mit Familie in Delmenhorst anzusiedeln und Betriebe zu gründen. Trotzdem waren sie Bürger minderen Rechts.
Nachdem sich weitere Juden in Delmenhorst ansiedeln wollten, legte der städtische Magistrat Einspruch ein. Diesen wies der Landesherr mit folgender Begründung zurück: „Nach unserem Bedünken sind also die Juden in Absicht auf den Handel dem publico mehr nützlich als schädlich, und es wäre zu wünschen, dass die Delmenhorster Kaufmannschaft sich durch einen zu Unternehmungen aufgelegten Juden aus ihrer bisherigen Schlafsucht mögten aufwecken lassen“. Die drei ersten Schutzjuden mit ihren Angehörigen, Knechten und Mägden bildeten eine Bevölkerungsgruppe mit 20 bis 30 Personen.
Im Jahr 1861 lebten 31 Juden in Delmenhorst
Volle Gleichberechtigung erhielten die jüdischen Bürger erst, als Napoleon auch das Herzogtum Oldenburg und die Stadt Bremen annektierte: Sie brauchten damit weder Schutzbrief noch Schutzzoll. Und dennoch wurden nach Napoleon wieder Schutzbriefe und Schutzsteuern eingeführt. Die Anzahl der jüdischen Bürger in Delmenhorst stieg nur langsam an. Sie betrug im Jahr 1861 erst 31 Personen.
Marie Fitger hat überliefert, dass die jüdischen Bürger die „Talglichter – vor Einführung der Petroleumlampen lieferten“ und weiter, dass sie sich durch ein friedliches Familienleben auszeichneten. Besonders die Alten werden ehrerbietig behandelt.“
Synagoge entstand an der Gartenstraße
Die jüdische Bevölkerung traf sich anfangs im Haus der Familie Heydemann an der Bahnhofstaße/Ecke Lange Straße. Dort wurden auch die Gottesdienste abgehalten. Die erste jüdische Synagoge wurde im August 1838 an der Gartenstraße eröffnet. Es gab dort einen Betsaal, eine Schule und eine Lehrerwohnung. Das Gebäude hatte die jüdische Gemeinde ein Jahr vorher gekauft.
Am Bau dieser Synagoge beteiligte sich der oldenburgische Landesherr mit einem großen Zuschuss. Ganz anders war es bei der neuen Synagoge an der Cramerstraße. Die jüdische Gemeinde musste Kredite aufnehmen, weil sie 1914 ihre Ersparnisse als Kriegsanleihen dem Deutschen Reich für die Kriegsfinanzierung zur Verfügung gestellt hatte – und das Geld nie zurückbekam.
Zweite Synagoge stand an der Cramerstraße – sie brannte in der Pogromnacht
1910 lebten 124 jüdische Bürger in Delmenhorst. Die kamen ab 1890 häufig aus Galizien. Diese sogenannten „Ostjuden“ sprachen jiddisch und arbeiteten überwiegend als Industriearbeiter. Der erste jüdische Akademiker war Dr. Iwan Bloch, Arzt und Begründer der Sexualwissenschaften. Ab 1914 praktizierte auch der jüdische Arzt Dr. Harry Rothschild in der Langen Straße.
Am 1. September 1928 fand der letzte Gottesdienst in der Synagoge an der Gartenstraße statt. Die Stadt kaufte das Gebäude und richtete dort eine Krankenstube für das Wohlfahrtsamt ein.
Die neu gebaute Synagoge an der Cramerstraße wurde am 2. September 1928 feierlich eröffnet. Der Neubau war ein stattlicher von einer flachen Kuppel bedeckter Bau mit bleiverglasten Fenstern.
175 Gemeindemitglieder wurden von den Nazis verfolgt, diskriminiert und deportiert
Am 9. November 1938 wurde die Synagoge von den Delmenhorster Nazis in Brand gesetzt und war verloren. In der Nazizeit wurde das gesamte jüdische Leben in Delmenhorst ausgelöscht, die 175 Gemeindemitglieder wurden verfolgt, diskriminiert und deportiert. Etwa 70 Mitglieder wurden im Holocaust in den KZs und Ghettos ermordet. Eine Shoa-Gedenktafel erinnert daran.