Delmenhorst ist die einzige Kommune in Niedersachsen, in der es die elektronische Gesundheitskarte für Asylsuchende gibt. Gegen den Widerstand der Stadtverwaltung war sie auf Beschluss des Rats der Stadt Delmenhorst Anfang 2017 eingeführt worden. Noch 2019 war der zuständige Ausschuss für Gesundheit und Soziales von seiner Entscheidung überzeugt und zog eine positive Bilanz.
In der jüngsten Sitzung Mitte November nun die Kehrtwende: Die Stadt Delmenhorst soll ab Juni kommenden Jahres wieder Behandlungsscheine für notwendige Arzt- und Zahnarztbesuche an Asylbewerber ausgeben und abrechnen. Den Antrag stellte die FDP gemeinsam mit der CDU, dafür gab es elf Ja-Stimmen und eine Enthaltung. Das letzte Wort hat der Rat. Bis zum Jahresende müsste die Stadt die Rahmenvereinbarung mit der Barmer für die Nutzung einer elektronischen Gesundheitskarte kündigen.
Im Herbst wieder Anstieg
Auf die Gesundheitskarte hatten alle Personen Anspruch, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehen. Nach Ablauf einer Wartezeit von 18 Monaten ab Einreise nach Deutschland konnte die Krankenkasse dann frei gewählt werden.
Seit 2017 sank die Anzahl der berechtigten Personen kontinuierlich. Bis Herbst diesen Jahres. Seitdem werden der Stadt Delmenhorst fast nur noch Geflüchtete aus sogenannten Drittstaaten zugewiesen. Da dieser Personenkreis zum größten Teil Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhält, stiegen die benötigten Gesundheitskarten wieder stark an. Ukrainischen Geflüchteten steht dagegen viel schneller eine reguläre Krankenkassenkarte zu.
Die zuständige Fachverwaltung muss jeden Asylbewerber bei der Barmer zeit- und bürokratieaufwändig anmelden. Bis die Karten per Post bei den Geflüchteten eintreffen, erhalten sie bei notwendigen Arzt- und Zahnarztbesuchen von den Behörden Kostenübernahmeerklärungen für die behandelnden Ärzte.
Stadt hat keine Kontrolle
Grundsätzlich darf über die Gesundheitskarte nur eine Akut- und Notfallversorgung abgerechnet werden. Allerdings erstattet die Barmer die eingereichten Behandlungskosten, ohne die Notwendigkeit zu überprüfen. Dadurch hat die Stadtverwaltung keinerlei Kontrolle, welche Untersuchungen, Therapien und Hilfsmittel die Ärzte vornehmen beziehungsweise verordnen und abrechnen. Insbesondere dieser Umstand wird kritisiert, da sich hierdurch eine Besserstellung gegenüber Kassen- und Privatpatienten ergibt.
Wenn ab Juni 2024 jeder ärztlichen oder zahnärztlichen Behandlung eines Geflüchteten wieder eine vorherige Prüfung der Notwendigkeit durch den Amtsarzt vorausgeht, wird das vermutlich zu erheblichen Kosteneinsparungen führen. Allen Entscheidern muss jedoch klar sein, dass die Ausstellung und stadtinterne Abrechnung von Behandlungsscheinen einen personaltechnischen Mehrbedarf für die Verwaltung bedeutet.