Weser report: Frau Hübner, Sie waren wissenschaftliche Begleiterin des Projektes „Männersache Gesundheit Osterholz“. Warum war dieses überhaupt notwendig?
Wiebke Hübner: Das Projekt wurde initiiert, weil festgestellt wurde, dass sich Männer – im Gegensatz zu Frauen – nicht sehr für Gesundheits-Themen interessieren. Gerade in Osterholz ist im Gegensatz zu benachbarten Stadtteilen, wie etwa Schwachhausen, die durchschnittliche Lebenserwartung im Allgemeinen niedriger und mehr Menschen haben auch mentale Probleme. Da gibt es noch andere vergleichbare Stadtteile, wie beispielsweise Gröpelingen. Aber: Vergleicht man die Osterholzer Männer mit dem gesamtdeutschen Durchschnitt, schneiden sie sehr viel schlechter ab.
Woran liegt das?
In Osterholz und Gröpelingen ist die sozio-ökonomische Verteilung vergleichbar. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass gewisse demografische Charakteristika Einflüsse auf das Gesundheitsverhalten haben. So verhalten sich Menschen mit einem höheren Bildungsabschluss und einem höheren Einkommen gesundheitsfördernder. Wenn man Osterholz mit Schwachhausen vergleicht, ist der Stadtteil im Durchschnitt einkommens- und bildungsschwächer. Das wäre sicherlich eine Teilerklärung für eine niedrigere Lebenserwartung.
Was hat die Befragung ergeben?
Die online-Befragungsergebnisse von 101 Personen haben gezeigt, dass die mentale Gesundheit vieler Osterholzer besorgniserregend ist. Die selbst eingeschätzte Gesundheitskompetenz ist auch vergleichsweise schlecht. Das bedeutet, dass viele gar nicht wissen, wie und wo sie an Informationen zum Thema Gesundheit kommen. Viele wissen auch gar nicht, wen sie fragen sollten. Und selbst wenn sie Antworten finden, wissen die meisten nicht, wie sie diese verwerten sollen und was das für sie bedeutet. Zudem haben wir noch 50 individuelle, qualitative Interviews geführt. Da lag der Altersdurchschnitt bei 46 Jahren und die ethnische Zusammensetzung bildet den Stadtteil ganz gut ab. Und da wurde oft auch gesagt, dass Gesundheitsangebote im Stadtteil kaum bekannt sind. Es gibt tatsächlich relativ wenige Angebote nur für Männer, aber selbst diese sind größtenteils kaum bekannt. Da fehlt dann schlichtweg auch die Werbung dafür. Das war das Ziel der aktivierenden Befragung: Einmal zu schauen, gibt es Angebote und sind sie bekannt und dann für diese zu sensibilisieren und Interesse zu wecken. Fazit: Die Männer müssen mehr aktiviert werden.
Wie ist man überhaupt darauf gekommen, dass dort ein Mangel herrscht?
In Osterholz haben mehrere Beschäftigte des Stadtteils den Eindruck gehabt, dass sich vor allem Männer gesundheitsschädlich verhalten. Daraus hat sich dann die Idee abgeleitet, ein Männer-Gesundheitsprojekt zu initiieren. Diese negativen Zahlen sind die Basis und Relevanz für das Vorhaben gewesen. Da wollen wir was tun und präventiv zur Gesundheitsförderung beitragen.
Wie kann das aussehen? Sind das Fitnesskurse oder Workshops zu Themen wie Depressionen?
Wir planen praktische Angebote, alles ist möglich. In der aktivierenden Befragung habe ich auch abgefragt, welche Angebote sie sich wünschen und da kam ein sehr breites Spektrum heraus. Es ging viel um das Thema Bewegung, es wurden Tanzkurse – überraschenderweise auch ein Tangokurs – genannt, Fahrrad fahren, schwimmen, Fußball spielen. Auch Aufklärung und Veranstaltungen zum Thema Suchtmittelprävention wurden gewünscht und Vater-Kind-Kurse. Erschreckend war allerdings, dass auch viele an gesundheitsfördernden Kursen gar kein Interesse haben. Oder sich einfach noch nicht damit befasst haben. Deswegen wollen wir die Männer generell für das Thema Gesundheitsförderung sensibilisieren.
Was kommt jetzt?
Das Konzept des Projektes sieht vor, dass eine erneute Befragung im gleichen Rahmen im Herbst diesen Jahres noch einmal durchgeführt wird. Die Ergebnisse der beiden Untersuchungen wollen wir miteinander vergleichen. Dabei hoffen wir natürlich, dass ein Wandel, eine Verbesserung stattgefunden hat. Im Grunde, dass die Männer sensibilisierter sind. Die Online-Befragung soll 2026, gegen Ende des Projektes, noch einmal durchgeführt werden, damit man einen Vorher-nachher-Vergleich hat.
Was passiert denn in der nächsten Zeit konkret, damit es positive Entwicklungen geben kann?
Die Männer müssen sich besser angesprochen fühlen. Das Sichtbarmachen von Angeboten im öffentlichen Raum ist wichtig, überhaupt muss Werbung für solche Kurse viel breiter gestreut sein und auch öfter erfolgen. Interessanterweise läuft gar nicht so viel über Social Media. Die Osterholzer wollen über traditionelle Wege angesprochen werden. Also auch über Printmedien, wie den WESER RERPORT.