„Irgendwer muss den Anfang machen“, sagt Musatafa Güngör, Fraktionsvorsitzender der SPD in der Bremischen Bürgerschaft. Die drei Koalitionsfraktionen SPD, Grüne und Linke haben sich auf einen Antrag verständigt, der den Anstoß zu einem bundesweiten Verbotsverfahren gegen die Rechtaußenpartei liefern soll.
Der Plan: Nach einem Bürgerschaftsbeschluss, möglicherweise schon in der kommenden Woche, soll sich der Senat auf Bundesebene dafür einsetzen, dass die Landesämter sowie das Bundesamt für Verfassungsschutz eine Materialsammlung zur AfD anlegen. Diese wäre dann die Grundlage, um etwa über einen Beschluss des Bundesrates auf die Einleitung eines Verbotsverfahrens hinwirken zu können. “
Schulterschluss auf Bundesebene suchen
„Sollten die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für ein Verbotsverfahren gegeben sein, wird Bremen auf Bundesebene einen Schulterschluss für einen Verbotsantrag suchen“, erklärt Sofia Leonidakis, Fraktionsvorsitzende der Linken. Die Entscheidung obliege dann den Richterinnen und Richtern des Bundesverfassungsgerichts. „Uns ist bewusst, dass ein Verbotsverfahren ein sehr scharfes Schwert ist, und die Hürden sind zurecht hoch. Aber wir müssen jetzt handeln, bevor es zu spät ist“, meint Leonidakis.
Durch die Diskussion über das Verbotsverfahren dürfe die politische Auseinandersetzung mit der AfD nicht in den Hintergrund geraten, warnt Henrike Müller, Fraktionsvorsitzende der Grünen. Im Gegenteil: Diese besitze oberste Priorität. Dennoch sei man bei der Abwägung zu dem Ergebnis gekommen, dass es höchste Zeit sei, um handfeste Erkenntnisse über die AfD in die Hand zu bekommen. Gerade von der Situation in Bremen, wo die AfD derzeit keine Rolle mehr spielt, dürfe man sich nicht täuschen lassen. „Die letzten Monate haben gezeigt, wie gefährlich die AfD ist“, sagt Müller.
Unterwanderung des Rechtsstaates droht
Allein auf die politische Auseinandersetzung will man es aber auch nicht ankommen lassen. „Die Machterschleichung der Nationalsozialisten war das Ergebnis von falsch verstandener Toleranz gegenüber Antidemokraten. Wir müssen uns gegen die Feinde unserer rechtsstaatlichen Grundordnung wehren können“, sagt Güngör. Es sei „absolut geschichtsvergessen“, Forderungen nach einem AfD-Verbotsverfahren als antidemokratisch abzustempeln. „Die Mütter und Väter unserer Verfassung haben die Möglichkeit eines Parteienverbots ganz bewusst in unser Grundgesetz aufgenommen“, begründet er.
Die große Angst der Demokraten: Sollte die AfD in einzelnen Ländern oder gar im Bund in Regierungsverantwortung kommen, sei eine „Unterwanderung von Exekutive und Legislative durch AfD-nahe Verfassungsfeinde“ nicht mehr auszuschließen, bekräftigte der SPD-Fraktionschef. Ein Verbotsverfahren müsse daher „so schnell wie möglich“ geprüft und gegebenenfalls eingeleitet werden. „Es ist fünf vor zwölf!“
CDU will eigenen Antrag einbringen
Die Bremer Regierungsfraktionen hatten nach eigenen Angaben auch die Oppositionsfraktionen von FDP und CDU eingeladen, den gemeinsamen Antrag zu zeichnen. Beide hätte noch um Bedenkzeit gebeten, so Müller. „Ein breiter Schulterschluss wäre optimal.“
Unterdessen kündigte die CDU an, einen eigenen Antrag zum Thema in die Bürgerschaft einbringen zu wollen. „Unsere Demokratie ist unser höchstes Gut, das es zu verteidigen gilt. Die AfD darf niemals an die Macht kommen, da sind wir uns demokratische Parteien alle einig“, erklärt Fraktionschef Frank Imhoff. Allerdings ergebe die Initiierung eines Verbotsverfahrens gegen die AfD oder gegen andere verfassungsfeindliche Parteien nur Sinn, wenn gesicherte Erkenntnisse vorlägen, die die Verfassungsfeindlichkeit eindeutig belegten. „Dabei muss ein jahreslanges Hinziehen des Verfahrens unbedingt vermieden werden und ein erfolgreicher Abschluss muss absolut garantiert sein“, meint Imhoff.
Skepsis nachvollziehbar
Natürlich haben sich die Bremer Politikerinnen und Politiker auch mit der Frage auseinandergesetzt, ob ein Verbotsverfahren die AfD nicht in ihrer Märtyrer-Rolle bestätigen und ihnen so zusätzliche Wählerinnen und Wähler in die Arme treiben könnte. „Die Skepsis ist nachvollziehbar“, sagt Leonidakis. „Aber so ein Verfahren dauert mehrere Jahre. Wir müssen die Prüfung starten, bevor es zu spät ist“, fordert sie.
Auch in Sachen Unterstützung von anderen Bundesländern zeigt sich Güngör zuversichtlich: „Es geht darum, Material zu sammeln. Welcher Ministerpräsident sollte etwas dagegen haben?“
Um die AfD am Ende tatsächlich durch das Bundesverfassungsgericht verbieten lassen zu können, müsste bei einer verfassungsrechtlichen Prüfung der Nachweis erbracht werden, dass die Partei verfassungsfeindlich ist. Einen ersten Hinweis darauf erhoffen sich die AfD-Gegner von einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts in Münster. Das will in der kommenden Woche unter anderem Recht zu der Frage sprechen, ob der Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen die AfD als rechtsextremen Verdachtsfall einstufen darf.