Das Original: Die Mittelalter-Spezialisten Konrad Elmshäuser und Autor Ulrich Weidinger (nicht im Foto) haben das Ratsdenkelbuch in für alle lesbaren Text übersetzt. Foto: Marcus Schmidt Das Original: Die Mittelalter-Spezialisten Konrad Elmshäuser und Autor Ulrich Weidinger (nicht im Foto) haben das Ratsdenkelbuch in für alle lesbaren Text übersetzt. Foto: Marcus Schmidt
Ratsdenkelbuch

Mittelalter-Geheimnisse für alle

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Fast 300 Jahre lang hat der Bremer Rat Wichtiges ins Ratsdenkelbuch eingetragen.

Weser Report: Herr Elmshäuser, das Bremer Staatsarchiv gibt ein Buch heraus, in dem Ulrich Weidinger das Bremer Ratsdenkelbuch in eine für alle Bremer, Forscher und Politiker, lesbare Form übertragen hat. Was ist das für ein geheimnisvoller Buchschatz?

Konrad Elmshäuser: Das Ratsdenkelbuch ist ein Buch, in das im Mittelalter der Bremer Rat alles das hat eintragen lassen, wovon er meinte, dass es wichtig ist. Wir haben sogar den Gründungseintrag aus dem Jahr 1395, wo die Ratsherren wirklich sagen: „Es hat in letzter Zeit so oft Ärger und Probleme gegeben, weil Dinge vergessen wurden“ Man wusste bei bestimmten Dingen nicht, woher sie kommen. Sie haben ein Buch angelegt, wo alles eingetragen wurde. Dann hat man dieses Buch fast 300 Jahre lang befüllt.

Was ist der wichtigste Eintrag?

Was vielen etwas sagen wird, ist die „Kundige Rolle“. Wir haben das Original von 1489. Es gibt eine noch ältere Rolle von 1450. Das ist eine Alltagsgesetzgebung des mittelalterlichen Bremens. Die ist nur in dem Ratsdenkelbuch überliefert. Es gibt keine andere Abschrift.

Was ist das Besondere an diesem Buch?

Darin wurden viele Sachen eingetragen, die nicht in urkundlicher oder anderer Form überliefert wurden. Die Gegenstände sind kunterbunt. Das Buch ist auch komplett unsystematisch, weder chronologisch noch sachlich sortiert. Es ist ein reiner Alptraum, mehre hundert Seiten mittelalterlicher Alltag durchgeschüttelt. Es geht von Hansetagen über diplomatische Missionen bis hin zu Schadenslisten, weil Piraten wie Störtebeker und die Liekedeler Bremer Schiffe aufgebracht haben. Dann kamen die Schiffseigner und übergaben Schadenslisten. Man wusste sonst nicht, was an Heringen oder Fellen an Bord war. Es wurde wissenschaftlich nur auszugsweise genutzt, es wurde bisher nie editiert. Im Zweiten Weltkrieg wurde es ausgelagert und kam 1990 aus der Sowjetunion zurück.

Was war das Schwierigste an der Forschung?

Es wurde von Dutzenden von Schreibern aufgeschrieben – sehr unterschiedlich. Schriftkundlich ist es eine echt harte Nuss. Man schreibt es nicht so einfach runter.

Versteht man die Sprache?

Es ist überwiegend Mittelniederdeutsch. Das ist eine Sprache, die nur Spezialisten verstehen. Viele Begriffe nutzt heute keiner mehr.

Kann man das Original besichtigen?

Außer im Rahmen von Ausstellungen, kann man es aus Schutzgründen nicht sehen. Mit der Edition braucht man nicht mehr auf das Original zurückgreifen. Für 54 Euro gibt es sie im Buchhandel.

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