Reinhard Seekamp (Linke) ist skeptisch, dass der Landkreis auch weiterhin und ohne Bundesförderung hinreichend Projekte zur politischen Bildung unterstützen kann. Foto: Utke
Landkreis

„Demokratie leben“ heiß diskutiert

Von
Das Aus des Förderprogramms im Landkreis: Meinungen prallen aufeinander

Bis vergangenen Mittwoch wäre es dem Landkreis noch möglich gewesen, die eigene Entscheidung bezüglich „Demokratie leben“ zu überdenken. Dieses Bundesprogramm fördert 90 Prozent bei Projekten zur politischen Bildung Jugendlicher. Der Landkreis Osterholz hatte beschlossen, die Förderung nicht erneut zu beantragen. Es entbrannte ein öffentlicher Diskurs, mit dem die Kreisverwaltung in einer solchen Heftigkeit offenkundig nicht gerechnet hatte.

„Die mit dem Förderprojekt ‚Demokratie leben‘ verfolgten Ziele waren aufgrund der mit dem Programm verbundenen Vorgaben im Landkreis Osterholz nicht erreichbar“, heißt es von Seiten des Landkreises in einer Beschlussvorlage. Der Knackpunkt: Die Angebote, die es unter Bezuschussung von „Demokratie leben“ gebe, würden kaum angenommen.

Ursprünglich hatte der Landkreis geplant, das Programm stillschweigend auslaufen zu lassen. Eine Debatte im Kreisausschuss war hierzu eigentlich nicht angesetzt. Dafür, dass das Thema dann doch aufgegriffen wurde, zeichnet Reinhard Seekamp (Linke) verantwortlich. Er hatte eine Erweiterung der jüngsten Tagesordnung des Kreisausschusses beantragt, um noch einmal über eine etwaige Fortführung des Programms zu debattieren. Der Antrag wurde auf breiter Front abgeschmettert, allein die Grünen stimmten mit Seekamp für eine öffentliche Diskussion.

Kurzfristige Pressekonferenz

Kurzfristig hatte die Kreisverwaltung noch eine Pressekonferenz am 19. Juni einberufen. Die Gründe des Landkreises, das Programm nicht fortzuführen, lägen primär im Verwaltungsaufwand, hieß es. Dieser stehe in keinem Verhältnis zum mittelmäßigen Erfolg des Projekts, da der Landkreis zur Administration von „Demokratie leben“ eine halbe Stelle aufwenden müsse, welche nicht vom Bund gegenfinanziert wird. Somit würden effektiv beinahe 50 Prozent der Finanzmittel für Personal- und Verwaltungskosten verwendet.

Auch würde nicht die gewünschte Zielgruppe angesprochen werden. Dazu Seekamp in einem Gespräch mit dem HAMME / WÜMME REPORT: „Mich wundert, dass die Berichte im Bredbeck-Ausschuss immer sehr positiv aufgenommen wurden. Die Verwaltung hat in den vergangenen drei Jahren nicht einen Ton darüber gesagt, dass der Verwaltungsaufwand angeblich so groß sei oder dass man die Zielgruppe nicht erreicht habe. Gar nichts. Man hatte immer den Eindruck, die Verwaltung findet das sehr positiv. Umso rätselhafter die Entscheidung jetzt.“ Weiter führt Seekamp aus: „Es wurde gesagt, man habe bislang nur eh schon bildungsaffine Schichten erreicht. Das lässt mich erstens stark zweifeln, insbesondere bei Projekten, die man in Schulen durchgeführt hat. Und andererseits setzt diese Ansicht voraus, dass Politikverdrossenheit ein Problem bildungsferner Schichten ist. Das würde ich in der Absolutheit bestreiten wollen.“

Mittel aus dem Landkreis sollen ausreichen

Die Themenschwerpunkte Demokratieförderung, Extremismusprävention und Vielfaltsgestaltung wolle man besonders in Bezug auf junge Menschen auch weiter fokussieren, hieß es auf der Pressekonferenz des Landkreises. Hierfür seien aber die finanziellen Mittel zur Jugendförderung ausreichend, die die Kreisverwaltung bereits leiste. Auch ohne eine Fortführung von „Demokratie leben“ müssten Initiativen also keine Angst haben, zu wenig Förderung zu erhalten, so die Erste Kreisrätin Heike Schumacher. Anders sieht das Seekamp, der sagt: „Ich kann mir nicht vorstellen, wie die Mittel ausreichen sollen, um das zu erreichen, was mit der Förderung vom Bund möglich war. Ich weiß nicht, wie da noch Projekte gefördert werden sollen.“

Ob mit oder ohne „Demokratie leben“: Priorität sei es, niedrigschwellige Beteiligungs- und Vernetzungsangebote zu schaffen. „Dafür ist ‚Demokratie leben‘ zu bürokratisch. Durch die Beendigung des Programms werden Kapazitäten für wirkliche Engagementförderung freigemacht“, betont die Kreisjugendpflegerin Katrin Sander.

Dass das Vorhaben des Landkreises, das Programm stillschweigend und nach ursprünglicher Planung ohne Kreistagsentscheidung auslaufen zu lassen, negative Reaktionen nach sich zog, habe man nicht bedacht. „Wir hätten das nicht so eingeschätzt, dass diese Reaktion kommt“, sagt Schumacher.

Kommentar

Die Öffentlichkeit mehr involvieren

Die Verwaltung des Landkreises ließ sich nun also auf dem falschen Fuß erwischen. Selten genug kommt es vor, dass sich sämtliche lokalen Zeitungen auf das gleiche Thema der lokalen Politik stürzen, seltenst auch gibt es eine öffentliche Debatte in dem Umfang, wie das Aus für das Förderprogramm „Demokratie leben“ sie in verschiedenen Umfeldern auslöste. Die Erste Kreisrätin sagte es selber: Damit, dass die zunächst wenig befriedigende Begründung, die man nach außen gab, nicht ausreichte, hatte man schlicht nicht gerechnet. Es ist nun als Gewinn anzusehen, dass auf einer kurzfristigen Pressekonferenz bekräftigt wurde: Ja, der Landkreis fördert auch weiter Projekte zur politischen Bildung. Das Ende von „Demokratie leben“ bedeute nicht das Aus für den Einsatz für die Demokratie. Es wäre nun wünschenswert, dass die Verwaltung hieraus lernt und nicht weiter darauf vertraut, dass Entscheidungen in der Öffentlichkeit wenig beachtet werden und so versickern und still ihre Wurzeln schlagen können.

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren...

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner