Einen gesunden Eindruck machte die mehr als 200 Jahre Eiche am Stadtrand von Delmenhorst, in der Friedensstraße schon länger nicht mehr. Fotos: Konczak
Naturschutz

Eiche verschwindet nach 200 Jahren

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Anwohner bedauern Fällung des historischen Grenzbaums

Eichen sind natürliche Wasserspeicher. Über ihre Blätter verdunsten täglich bis zu 500 Liter Wasser – das ist der Inhalt von etwa vier Badewannen. Die historische Grenzeiche in der Friedensstraße, die über 210 Jahre alt ist, hat demnach viel für ihre Umgebung getan. Gepflanzt worden sein soll sie um 1811 – genau im Grenzbereich zwischen dem Großherzogtum Oldenburg und der damals französischen Stadt Delmenhorst. Am vergangenen Donnerstag wurde der Baum gefällt. Aus Sicht der Anwohner hätte dieser Schritt vermieden werden können. Im Rathaus sieht man das anders.

Vitalitätsverlust länger bekannt

Die schlechten Standortbedingungen sollen Schuld am Vitalitätsverlust der Sieleiche gewesen sein. „Der Baum stand in einem zwei Meter mal zwei Meter großen Pflanzbeet, das stark verdichtet ist. In den dicht bebauten Stadtgebieten kommt es immer wieder zum Absterben von Straßenbäumen, infolge der stark verdichteten und versiegelten Wurzelbereiche. Die unzureichende Versorgung mit Nährstoffen, Wasser und Sauerstoff beeinträchtigt massiv die Gesundheit der Bäume“, teilt der städtische Pressesprecher Timo Frers auf Nachfrage mit.

Anwohner Tim Schmidt macht für den schlechten Zustand des Baumes den Bau des Stauraumkanals vor mehreren Jahren in der Straße verantwortlich: „Weit über 80 Millionen Liter Grundwasser wurden dafür abgepumpt. Von der daraus resultierenden Wasserknappheit haben sich sehr viele Pflanzen und Bäume und letztendlich auch die historische Grenzeiche anscheinend nicht mehr erholt.“

Dem widerspricht man in der Stadtverwaltung Delmenhorst. Bereits vor Beginn dieser Baumaßnahme soll der Vitalitätszustand des Baumes bedenklich gewesen sein. Das hätten zertifizierte Baumkontrolleure im Rahmen von Baumkontrollen festgestellt.

Gefahr für Verkehrsteilnehmende

Eine Alternative zur nun durchgeführten Fällung des einst stattlichen Baumes gab es für die zuständigen Personen nicht. Aufgrund eines hohen Anteils von Totholz, teilweise mit einem Durchmesser von über zehn Zentimetern, war die Bruch- und Standsicherheit des Baumes nicht mehr gegeben. Vor allem weil er an einer stark befahrenen Straße stand.

Schmidt ist davon überzeugt, dass bereits mehrfach Bäume Opfer von Stauraumkanälen wurden. So mussten beispielsweise Anfang 2022 zwei Rot-Eichen in der Schönemoorer Straße gefällt werden. Die zuständige Fachbehörde nennt als Ursache für die Fällung einen starken Pilzbefall im Stammfußbereich der beiden Bäume. Frers: „Aufgrund der Gefahr einer Holzzersetzung erfolgte zur besseren Abschätzung der Standsicherheit eine eingehende Untersuchung mittels Zugversuchs. Die Messergebnisse der Lastanalyse haben aufgezeigt, dass die Bäume nicht mehr standsicher waren.“

Im Rathaus nutzte man diese Baumaßnahme vor zwei Jahren als Chance, um die Baumbeete zu erneuern und die Standortbedingungen für die Ersatzpflanzung zu verbessern. Anfang des Jahres wurden, nach Fertigstellung der Baumaßnahme, zwei Ungarische Eichen gepflanzt. Diese Klimabaumart besitzt die Fähigkeit, extreme Wetterverhältnisse besser als heimischen Sorten zu überstehen.

Am vergangenen Donnerstag wurde die Eiche gefällt. Eine Ersatzbepflanzung ist vorgesehen. Wo genau, ist noch nicht bekannt.

Fortbestand der Eiche als Insektenhotel

Tim Schmidt ist Lehrer. In seiner Freizeit betreut er die Homepage wasser-ist-ein-kostbares-gut.de. Dort forderte er von der Stadt Delmenhorst, dass in der Friedensstraße zumindest die Wurzeln und ein Teil des Stammes der Eiche in Höhe von 2,50 Meter als historisches, anschauliches und natürliches Museumsstück erhalten bleiben. Versehen mit einer Zeittafel der Geschichte der Grenzeiche für die nachfolgenden Generationen könnte daraus ein außerschulischer Lernort in der Stadt Delmenhorst entstehen. Ob so ein Lernort Realität wird, ist bislang nicht bekannt. Ebenfalls nicht öffentlich gemacht wurde bislang, wann und wo ein Ersatzpflanzung vorgesehen ist.

Ein Teil der Eiche wird zumindest erhalten bleiben. Wie Tim Schmidt mitgeteilt hat, wurde der Stamm gekauft und von Delmenhorst nach Ganderkesee transportiert. Er liegt nun in der Gemeinde Ganderkesee an der Grenze zu Delmenhorst. Der Baum, der zukünftig als Insektenhotel dienen soll, kann von Fußgängern besucht werden. Schmidt: „Nur im unteren Bereich der Eiche gab es eine Fäulnis im Stamm vermutlich durch einen Wurzelschaden oder die Kappung einer Wurzel.“

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