„Es wäre witzig, wenn es nicht so anstrengend wäre“, denke ich, während ich im Schneckentempo über die Autobahn krieche. Der Hagel knallt auf die Windschutzscheibe, der Regen nimmt mir beinahe jede Sicht.
Ich bin auf dem Weg zum Lilienthaler Schützenverein, um mit dem ersten Vorsitzenden Harald Kohlmann ein Interview über die Hochwasserschäden zu führen, die das Vereinsheim um den Jahreswechsel erlitten hat – und das Wetter scheint sich entschlossen zu haben, für eine passende Atmosphäre zu sorgen. Als ich am Vereinsheim eintreffe, ist mein Interviewpartner nicht zugegen.
Der Grund: Durch den Starkregen läuft der Keller seiner Nachbarn voll, und Kohlmann leistet spontane Nachbarschaftshilfe. Entsprechend verschiebt sich unser Gespräch leicht nach hinten, thematisch eingestimmt sind wir beide.
Hamme/Wümme Report: Das Hochwasser kam für Sie zu einer denkbar schlechten Zeit – kurz zuvor hatten Sie gerade einige Renovierungen fertiggestellt…
Harald Kohlmann: Genau. Der Thekenraum war im Oktober letzten Jahres gerade fertiggestellt, mit neuem Fußboden und Decke, und sowas alles, Isolierung. Ja, und dann kam dann im Dezember das Hochwasser.
Das Hochwasser kam dann ja auch sehr plötzlich…
Das kam sehr plötzlich. Ich war am 25. Dezember noch hier, da haben wir dann vorsichtshalber im Kleinkaliber-stand noch eine Pumpe hingesetzt. Am nächsten Morgen bin ich schon nicht mehr reingekommen – da hätte ich eine Watthose gebraucht. Weil, es war dann etwas Wasser hier drin. Um nicht zu sagen, etwas mehr: 92, 93 Zentimeter Wasser waren hier drin.
Wie lief das dann im Verein ab als klar war, dass hier Wasser drinsteht?
Wir konnten ja nichts machen. Wir sind hier alle im Umkreis abgesoffen. Da war schon richtig Alarm. Und dann stand hier gute drei Wochen lang Wasser drin. Wir hatten Schützenfest, und konnten Gott sei Dank wieder feiern, weil wir die Räume wiederhergestellt haben.
Welche Schäden sind entstanden?
Die Schießanlage selber, die Messanlage ist Gott sei Dank heil geblieben, weil sie hoch genug hing. Aber die Wände, alles was 1,20 Meter hoch ist, mussten wir komplett neu machen. Weil es von innen eben alles Trockenbau ist, das heißt: Rigipswände, Isolierwolle, das musste alles raus und neu. Es kam mir auch ein Terrassenstrahler mit Gasflasche entgegengeschwommen, wie ich das erste Mal die Tür aufgemacht habe.
Wurden die Renovierungen von Mitgliedern in Eigenregie durchgeführt?
Ja, weil wir uns nicht versichern konnten und können. Bis zum jetzigen Zeitpunkt können wir keine Elementarversicherung abschließen, weil wir hier im Wassereinzugsgebiet sind. Und dann mögen die Versicherungen das nicht gerne. Die sagen: Das ist kalkuliertes Risiko, machen wir nichts gegen.
Ist der Wiederaufbau mittlerweile fertig?
Nein, noch lange nicht. Der Festsaal ist zum Glück fertig, es fehlt nur noch eine Tür. Die Toilettenanlage musste neu gemacht werden, unsere Küche musste neu gemacht werden, alles nicht so ganz schön.
Welche Präventionsmaßnahmen hat der Verein ergriffen?
Wir werden jetzt Wasserschotten in die Türen setzen, wenn wir es uns finanziell leisten können. Aber irgendwie müssen wir das auf jeden Fall machen. Wir haben hier neun Türen, die müssen abgesichert werden. Wir machen das auf einen Meter, weil wenn es darüber weg kommt, kommt es auch über die Fenster rein, dann ist sowieso alles zu spät. Draußen liegen auch bei Starkregen schon Schläuche und Sandsäcke vor den Türen, das kann man sich dann alles ersparen, wenn wir die Schotten haben.
Läuft der Betrieb im Schützenverein wieder vollständig?
Seit Ende April, da sind wir so grob fertig geworden, dass wir wieder Frühjahrsschießen und Veranstaltungen machen konnten. Mit dem Osterfeuer fing es an, das veranstalten wir auch gerne, weil es uns natürlich auch ein bisschen was einbringt, das konnten wir für die Renovierungen gut gebrauchen.
Wie hat das Hochwasser das Gruppengefühl im Verein verändert?
Der Zusammenhalt wird extremer, weil ja eben auf einmal alle hier sind und helfen. Aber auch beim Wiederaufbau waren die Gruppen tagtäglich hier. Bei 2.000 Stunden habe ich aufgehört zu schreiben, ich schätze, dass wir bei zirka 3.000 Stunden ehrenamtlicher Arbeit liegen, die hier reingeflossen sind. Das läuft alles nebenher, dass Leute immer wieder vorbeikommen. Sogenannte Arbeitsdienste machen wir nicht, sondern beschnacken, wenn etwas gemacht werden muss. Jetzt war natürlich extrem, was alles gemacht werden musste, aber da waren immer welche hier. Meistens ein Trupp von acht bis zehn Leuten, manchmal 15, manchmal nur zwei, aber das passte immer sehr gut.