So oder ähnlich könnte es sich in Bremen um 1600 zugetragen haben – wenn man Archäologen wie Dieter Bischops Berichte über neue Funde zusammenfasst: Ein grauer Tag in Zeiten der Pest an der Weser. Vermutlich wurde gerade eine Änderungsschneiderei geschlossen. Handwerkszeuge wie Scheren und Fingerhüte, edle Stoffe und Wolle zum Stopfen, wurden mit Erde und Schutt in einen Graben im heutigen Stephaniviertel geworfen. Der sollte aufgefüllt werden. In der Masse waren eine Kindersocke, die schon dick gestopft wurde. Ein Handschuh, der schon stark durchlöchert ist. Aber auch ein Tiphoiken, ein damals modisches Hörnchen am Kopfende eines Mantels, lag mit drin.
Etwa 7.000 Fragmente im Stephaniviertel entdeckt
Vielleicht gehörte es der schwarz gekleideten, vermutlich protestantischen Frau, die von einem Zeitzeugen beschrieben wurde: „Über der Stirn ein Horn, das wie ein Elefantenzahn aussieht.“ In den letzten zwei Jahren wurden diese und etwa 7.000 weitere Fragmente von Textilien bei Auswertungen eines riesigen Erdklumpens entdeckt. Am 27. Oktober stellte sie Bischop vor: „Einmalig in Deutschland, nur in Groningen gab es einen ähnlichen, aber kleineren Fund.“
2007 vor Bauarbeiten gerettet
2007 meldeten Bauarbeiter die seltsamen Dinge an der Eduard-Schopf-Allee bei einer Fußgängerbrücke. Um das Entdeckte vor Bauarbeiten zu retten, brachten Mitarbeiter der Landesarchäologie den Erdberg in Sicherheit und werteten ihn Zentimeter für Zentimeter aus. Dabei halfen auch interessierte Schüler.
Textilmuseum hilft bei der Auwertung
Wesentliche Aufgaben hat seitdem das Deutsche Textilmuseum in Krefeld übernommen. Die Archäologin und Museumsleiterin Annette Schick interpretiert zum Beispiel auch Löcher in der Kleidung: „Die wurden extra in feines Tuch eingeritzt, um Schichten darunter zu zeigen oder hervorzuziehen.“ Das habe aber nichts mit den Löchern in Jeans der Neuzeit zu tun. Es waren wohl Statussymbole der Ober- und Mittelschicht.
Damit kann Bremens Geschichte weiter erforscht werden
Das Besondere an den Funden sei ihre Seltenheit. Denn meistens sei sowas verwittert, erklärt Textilrestauratorin Katja Wagner. Arne Butt hat das Projekt mit der Stiftung VGH unterstützt: „Die Untersuchungsergebnisse zu den außergewöhnlichen Textilfunden können nun für stadt- und landesgeschichtliche Forschungsfragen genutzt werden.“