Süßes Gebäck und bittere Themen: Bei Kaffee und Butterkuchen trafen sich die Grünen-Direktkandidatin Lena Gumnior, die Geschäftsführerin des Grünen-Kreisverbands Verena Rademaker-Wolff, die Gynäkologin Stefanie Bischoff und Kristin Adamaszek, Hebamme und Gesundheitswissenschaftlerin, mit der interessierten Öffentlichkeit, um das Abtreibungsverbot zu diskutieren – niedergeschrieben in Paragraf 218 Strafgesetzbuch.
„Wir haben in Niedersachsen als Flächenland eine besondere Versorgungslage“, so Gumnior. Frauen müssten je nach Region weite Strecken zurücklegen, um zu einer Praxis zu gelangen, welche Abbrüche vornehme – auch wenn Niedersachsen im Bundesvergleich noch besser versorgt sei als manch andere Länder.
Alter Paragraf mit aktueller Bewandnis
Seit 1871 besteht der Paragraf 218 Strafgesetzbuch, der Abtreibungen unter Strafe stellt. Strafmaß und Begründung veränderten sich im Laufe der Zeit, doch eins blieb ungebrochen: Abtreibungen sind hierzulande illegal. Ein Schwangerschaftsabbruch innerhalb der ersten zwölf Wochen kann allerdings rechtlich ungestraft bleiben, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt werden. Diese Bedingungen sind unter anderem ein verpflichtendes Beratungsgespräch sowie eine gesetzlich vorgeschriebene Bedenkzeit von mindestens drei Tagen, bevor der Eingriff stattfindet.
Nicht nur für Frauen, auch für Ärztinnen und Ärzte sei die Rechtslage problematisch, so Bischoff. „Wir hängen da auch drin“, sagte sie mit Blick darauf, dass auch die behandelnden Ärzte sich strafbar machen – und eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren riskieren, wenn die Schwangere nicht alle gesetzlichen Vorgaben erfüllt.
Beratung: Recht und Pflicht?
Über die verpflichtende Beratung vor einem Abbruch diskutierten die Anwesenden lebhaft: „Dass die Beratung verpflichtend ist, unterstellt, dass die Frau von außen darauf gebracht werden müsse, über den Eingriff nachzudenken“, kritisierte Adamaszek.
Andere hielten der Beratungspflicht zugute. „Die Pflicht zur Beratung ist schließlich auch ein Recht auf Beratung“, hieß es von einer Mitdiskutantin. Sie sorgte sich, dass Beratungsangebote abgebaut werden könnten, wenn die entsprechende Pflicht entfiele.
Krankenkassen unterstützen kaum
Ein weiteres zentrales Problem sahen die Teilnehmerinnen in den hohen Kosten sowohl von Verhütungsmitteln als auch Schwangerschaftsabbrüchen. So übernähmen Krankenkassen regulär die Kosten für Verhütungsmittel wie die Pille nur bis zum vollendeten 22. Lebensjahr einer Frau.
Schwangerschaftsabbrüche schlagen mit 300 bis 800 Euro zu Buche, je nach Methode. Auch hierfür müssen Frauen meist selbst aufkommen, denn: „Wegen des Strafrechts scheitert auch eine Kostenübernahme durch die Kassen“, so Bischoff.
Jegliche Regelungen um Paragraf 218 kommen erst dann zum Tragen, wenn eine Schwangerschaft vorliegt. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die „Pille Danach“ ohne Probleme und auch von Minderjährigen in Apotheken erhältlich ist – bis zum vollendeten 22. Lebensjahr übernehmen die Krankenkassen deren Kosten, sofern ein Rezept durch eine gynäkologische Praxis eingereicht wird.
Reform auf Bundesebene gescheitert
Bischoff schloss: „Frauen bestimmen die Zukunft. Das ist eine Tatsache, die nun mal rein biologisch existiert. Das lässt sich nicht wegdiskutieren, nur wegregulieren.“ Ein „Wegregulieren“, gegen das sich an der Kaffeetafel entschiedener Widerstand regte.
Doch ihr Anliegen wird warten müssen: Erst in der vergangenen Woche beschied der Rechtsausschuss des Bundestages, dass es in der laufenden Legislatur keinen Gesetzesentwurf für eine Reform von Paragraf 218 mehr geben wird. Sollte künftig die Union die Regierung führen, gilt eine Reform des Paragrafen als unwahrscheinlich: In ihrem Wahlprogramm schreibt die CDU, dass „Paragraf 218 bleibt.“
Anlaufstelle zur Schwangerschaftskonfliktberatung im Stadtgebiet ist das Diakonische Werk, erreichbar montags von 10 bis 12 Uhr und donnerstags von 14 bis 16 Uhr unter 04791/ 806 84 sowie 04791/ 806 43. Eine offene Sprechstunde in der Kreisstadt gibt es dienstags von 12 bis 14 Uhr und donnerstags zwischen 9.30 und 11.30 Uhr bei der AWO, Bahnhofstraße 60.