Anfang des Jahres haben die Delme-Werkstätten in Delmenhorst ein weiteres Kapitel für die berufliche Bildung geöffnet: Im neuen Bildungszentrum an der Butjadinger Straße werden derzeit 34 Teilnehmer mit geistiger und psychischer Beeinträchtigung auf die Teilhabe am Arbeitsleben vorbereitet. „Wir bieten ihnen einen Ort, wo sie sich beruflich orientieren und Ideen entwickeln können hin zum Arbeitsmarkt“, sagt Wilfried Lau, Leitung Fachbereich Rehabilitation. Wer sich selbst ein Bild davon machen möchte, ist herzlich zum Tag der offenen Tür am Freitag, 28. März, von 10 bis 14 Uhr eingeladen. Interessierte können den inklusiven Bildungsort kennenlernen, es gibt Informationen zu den Teilhabeangeboten der Delme-Werkstätten und Delme-Eigenprodukte werden angeboten. Zur Verköstigung werden Getränke und Snacks aus der Lehrküche serviert.
„Ein echter Glücksfall“
Nahid Chirazi, Geschäftsführerin der Delme-Werkstätten, bezeichnet die neue Einrichtung als einen „echten Glücksfall“. 2014 startete bereits das Bildungszentrum in Syke. Eigentlich wollte man da auch schon eins in Delmenhorst errichten, aber es gab noch kein Grundstück oder Objekt. Glücklicherweise betrieben die Delme-Werkstätten bereits an der Butjadinger Straße 10 ihre Werkstatt für Industrie und Dienstleistung. So erfuhr die Einrichtung, dass Tamer Sert für sein Autohaus an der Butjadinger Straße 1 in Delmenhorst einen Käufer suchte. 2022 wurde das Areal erworben, am 17. November 2023 erfolgte der erste Spatenstich. Ein Glücksgriff, der somit auch Synergieeffekte für die Delme-Werkstätten schaffe, so Chirazi.
Moderner Holzrahmenbau
Das Gebäude in Holzrahmenbauweise verfügt über eine Nutzfläche von 1.600 Quadratmetern für Büro- und Seminarräume sowie praxisnahe Fachräume und eine Lehrküche. Auch die Lebenshilfe hat Räume gemietet. Die Grundstücksgröße beträgt 3.500 Quadratmeter. Es gibt eine Photovoltaikanlage, eine Wärmepumpe, eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung, viel Glas für Tageslicht, eine Brandmeldeanlage mit Weiterleitung zur Feuerwehr sowie vier Ladepunkte für Elektrofahrzeuge. Zudem ist eine Dachbegrünung in Planung. Orientierungs- und Mittelpunkt des Bildungszentrums ist ein Innenhof mit Olivenbaum. Bei dem Gelände achtete man darauf, dass kaum Oberflächen versiegelt wurden, erklärt Mathies Könenkamp, Architekt beim zuständigen Büro „Bocklage + Buttelmeyer“ aus Vechta. Versiegelten Boden gibt es nur bei den Wendebereichen für Fahrzeuge. „Außerdem bleibt das Regenwasser auf dem Gelände und wird über Versickerungsgräben in die Fläche geleitet“, so Könenkamp.
Einen weiteren Kniff gibt es bei der Technik des Gebäudes. Denn diese ermögliche es, Räume anders und flexibel zu nutzen, ohne dass groß umgerüstet werden muss.
Das neue Haus mit seinem Areal richtet sich ganz dem Langfristziel der Klimaneutralität, das sich die Delme-Werkstätten gesteckt haben. Zu diesem Thema gibt es laut André Grabbe, Leitung Facility Management, fünf Arbeitsgruppen. Dazu zählen etwa der Einsatz von E-Fahrzeugen, Dienstfahrräder an allen 16 Standorten oder auch Radstationen.
Praxisnahes Ausprobieren
Platz bietet die Einrichtung für bis zu 40 Personen, wobei nicht alle immer gleichzeitig vor Ort seien, so Chirazi. So habe man immer noch mehr Spielraum. Die Delme-Werkstätten rechnen für September mit weiteren Teilnehmern. Es gibt sowohl Berufsschulunterricht als praxisnahes Ausprobieren. Viele Menschen mit Behinderung würden heutzutage nicht mehr den Weg „Werkstatt“ wählen. Gerade für sie sei ein Bildungszentrum ein guter Ort für Berufliche Bildung und Qualifizierung. „Der Bedarf hat sich massiv verändert. Die Teilnehmer entscheiden, ob sie in die Werkstatt oder eine begleitete Ausbildung gehen. Die Selbstbestimmung ändert sich und das ist gut so“, meint Chirazi. Ob Hauswirtschaft, Technik, Verpackung, Handwerk oder Dienstleistungen – das Spektrum ist groß. Auch kaufmännische Möglichkeiten werden den Menschen aufgezeigt. „Es stehen alle Türen offen. Durchgehen muss man selbst“, beschreibt es Lau.
Kritisch sehen die Beteiligten die Dauer der Beruflichen Bildung von nur 27 Monaten. „Das ist viel zu kurz“, betont Lau hinsichtlich der Entwicklungsverzögerungen der Teilnehmer. Die Zeitspanne stamme noch aus den 80ern. Auch beim Thema Bezahlung, so Chirazi, seien die Delme-Werkstätten an bestimmte gesetzliche Vorgaben gebunden. Daher wolle die gemeinnützige Einrichtung ihr 50-jährigen Jubiläum in diesem Jahr auch dafür nutzen, kritische Fragen zu stellen. Einen Jubiläumsempfang gibt es am 9. Mai in der Markthalle.