Die Regenbogenflagge oder Pride Flag steht für Stolz und Sichtbarkeit queerer Menschen. Statt der hier abgebildeten Regenbogenflagge nutzen viele mittlerweile die sogenannte Progress Flag, welche auch nicht-weiße queere Menschen und Transmenschen repräsentiert. Foto: Ludovic Bertron (CC BY)
Worpswede

Der Preis der Solidarität

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In Worpswede streiten CDU, Grüne, Linke und Gemeindeverwaltung über Prioritäten

Es brodelt im Künstlerdorf. Dabei wollten Almut Helvogt und ihre Gruppe Bündnis 90/Die Grünen/Die Linke im Gemeinderat ein Zeichen für Toleranz und Vielfalt setzen, als sie im November vergangenen Jahres die Anschaffung einer Progress Flag beantragten. An zwei Tagen im Jahr, nämlich dem 17. Mai – dem Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transfeindlichkeit – und 28. Juni – dem Christopher Street Day–, solle diese am Rathaus gehisst werden. „Die Zahlen der registrierten Fälle von Hasskriminalität gegen queere Menschen steigt seit Beginn ihrer Erfassung 2001 stetig an“, schreibt die Gruppe in ihrem Antrag. Durch die Flagge setze die Gemeinde „ein Zeichen der Solidarität“ und zeige Haltung „gegen die zunehmende Gewalt gegen diese Bevölkerungsgruppe“. Doch eine Fraktion ist über diese Pläne keineswegs erfreut.

Die Einwürfe

Bürgermeister Stefan Schwenke rechnete die Flaggenanschaffung dem Bereich der laufenden Verwaltung zu, und beschaffte diese somit ohne Entscheidung des Gemeinderats. Doch ob das eine gute Idee war, darüber scheiden sich in die Geister. „Die Regenbogenfahne an zwei Tagen in Worpswede vor dem Rathaus zu hissen ist für die CDU Worpswede obsolet, da die gleichgeschlechtliche Ehe sowie Familie in Deutschland und insbesondere im vielfältigen Worpswede schon lange in der Gesellschaft angekommen sind“, schreibt Heiko Pankoke, Fraktionsvorsitzender der Worpsweder CDU, in einer Pressemitteilung.

Doch Pankoke hält die Anschaffung nicht nur für überflüssig, sondern gar für kontraproduktiv: „Die Zeit und das Geld, was die Worpsweder Gemeindeverwaltung dafür aufgewendet hat, hätte der Bürgermeister lieber in die offensichtlichen Problemsachverhalte der Gemeinde investieren sollen“, schreibt er weiter. Als Beispiele nennt er „den Parkplatz an der Worpsweder Schule“ sowie „das grüne Klassenzimmer in Hüttenbusch, wo der Schulverein Geld gesammelt hat und auf die Freigabe der Umsetzung wartet“.

Kosten und Aufwand gegen Null

Die Zeit und das Geld, die die Gemeinde aufwendeten, belaufen sich nach Aussage Schwenkes auf null Euro, da Ratsherr Jonas Schwenke die Anschaffungskosten in Höhe von 60 Euro selbst übernahm. Der Bestellvorgang war mit „drei Klicks“ erledigt, wie Stefan Schwenke auf Nachfrage des HAMME / WÜMME REPORT schreibt. Verständnis für die Argumente der CDU hat er nicht. „Die Kritik ist nicht nachvollziehbar und die vorgebrachten Beispiele, bei denen im Übrigen teilweise sogar die CDU/FDP-Gruppe selbst für Verzögerungen gesorgt hat und mit diesem Thema in keinem Zusammenhang stehen, sind absurd. Der Antrag bezieht sich auf die Unterstützung von queeren Menschen, was in der heutigen Zeit immer wichtiger wird. Dies unterstütze ich. Das Verhalten der CDU-Worpswede ist dagegen schon bedenklich.“ Bereits das Argument des Zeitaufwands habe sich ins Gegenteil verkehrt, denn die „Beschäftigung mit der von der CDU Worpswede erhobenen Kritik inklusive der angeführten, nicht vergleichbaren Beispiele, hat das mehrfache an Zeit gekostet, als der Kaufvorgang selbst“, so Schwenke.

Reaktion der Antragsteller

Auch Helvogt kann der Kritik der CDU nichts abgewinnen. „Die Argumente der Kosten und des Zeitaufwandes sind ganz offensichtlich konstruiert“, schreibt sie auf Nachfrage des HAMME / WÜMME REPORT. Dass Pankoke mit seiner Fraktion gegen die Anschaffung der Flagge schießt, bestärkt Helvogt nur noch weiter in ihrer Überzeugung, dass der Antrag richtig war. „Die Anschaffung der Flagge ist ein Erfolg, auch wenn das Hissen natürlich vorwiegend symbolisch ist“, ist Helvogt sicher. „Die Reaktion der CDU bestärkt uns in unserem Anliegen, da sie aufzeigt, wie die Angriffe auf diese gesellschaftliche Gruppe im Zuge des sogenannten ‚Rechtsrucks‘ zunehmen.“ Als Reaktion auf die Kritik der CDU folgte laut Helvogt „eine große Anzahl unterstützender Reaktionen“ aus dem Künstlerdorf – der Streit über die symbolische Solidaritätsbekundung mit der queeren Community zog somit ganz praktische Konsequenzen nach sich.

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