Weser Report: Frau Heyduck, in welchen Gebieten Bremens sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schlecht angebunden?
Elke Heyduck: Genauer angesehen haben wir uns das Thema fürs Güterverkehrszentrum (GVZ) im Bremer Süden und für die Hansalinie im Osten – hier arbeiten zusammen immerhin 14.000 Menschen. Aus beiden Gebieten wissen wir von Beschäftigten, von Betriebsräten und auch von Unternehmern, dass die Erreichbarkeit immer wieder ein Problem ist – jedenfalls mit Bus oder Fahrrad. Wenn im Sommer die Weserbrücke gesperrt wird, wird es auch für die Autofahrer eng.
Wer oder was hat Sie dazu gebracht, sich dieses Themas anzunehmen?
In unserer Rechtsberatung saßen Menschen, die sagten: „Der Bus fährt so, dass ich den Schichtbeginn nicht schaffe, kann ich dann ein paar Minuten später anfangen?“ Das geht natürlich nicht – Arbeitnehmer müssen pünktlich anfangen. Und dann merkt man, ach so, dann muss der Beschäftigte eine Stunde früher los und verbummelt vor der Frühschicht schon Zeit im Gewerbegebiet. Das muss einfach nicht sein. Wir wurden auch von Betriebsräten, von Gewerkschaften und Parlamentariern auf das Thema hingewiesen.
Fehlen in den Gegenden Busse und Straßenbahnen…
Weder in die Hansalinie noch ins GVZ fahren Straßenbahnen. Es gibt dort nur Busse, das macht auch Sinn, weil ich mit Bussen leichter Wege in Nebenstraßen fahren kann. Zum Beispiel in der Bergener Straße in der Hansalinie, dort gibt es mehrere mittelständische Betriebe, nur leider fährt der Bus da aktuell eben nicht durch, das ist eine der Forderungen, die sich aus unserer Befragung ergeben hat…
…oder wären sogar richtige Züge vorteilhaft?
Bei Zügen sprechen wir eher über die Regionalanbindung zu den umliegenden Gemeinden. Hier ist einfach wichtig, dass die Anschlüsse funktionieren – zum Beispiel vom Bahnhof Sebaldsbrück. Aber auch aus umliegenden Gemeinden könnten Busse oder S-Bahnen sinnvoll sein, weil deren Fahrpläne flexibler gestaltbar sind. Bei Bussen kann man sie auch an Schichtpläne anpassen. Ins GVZ zum Beispiel fährt kein Bus mehr aus Delmenhorst, der wurde eingestellt. Dabei kommt knapp die Hälfte der von uns befragten Beschäftigten aus dem Umland.
Wie viele Mitarbeiter denken Sie, würden in den Gewerbegebieten vom Auto auf Bus, Rad oder Straßenbahn umsteigen?
Es sind wirklich viele! Über die Hälfte – oder genauer 56 Prozent – haben gesagt, dass Sie sich, je nach Jahreszeit, einen Umstieg aufs Fahrrad oder auf öffentliche Verkehrsmittel vorstellen können, wenn sich das Angebot verbessert. Das ist es ja, weswegen wir sagen: die Verkehrswende hin zu klimafreundlichen Verkehrsmitteln ließe sich gerade in den Gewerbegebieten voranbringen. Nicht vergessen dürfen wir auch: In beiden Gebieten sitzen jede Menge Logistikbetriebe und Zulieferer. Die Verdienste sind dort nicht riesig und es gibt außerdem einen hohen Anteil an Leiharbeit. Da sind also auch schlicht Leute beschäftigt, die sich kein Auto leisten können.
Wie lange arbeiten Sie schon an dem Thema – und wo hakte es? Wer stellt sich quer?
Tja, das Thema ist tatsächlich nicht neu. Im Frühsommer 2023 haben wir die Studie veröffentlicht, die konkrete Forderungen aufgestellt hat. Und auch vorher gab es schon Anträge im Parlament. An der Studie haben sich ja auch Wirtschaftsressort, Bauressort und auch Handelskammer beteiligt.
Welche Nachteile haben Arbeitnehmer? Lange Fahrtwege? Unnötige Kosten? Stressige Anfahrt statt einer entspannten Fahrt zur Arbeit?
Grundsätzlich kann der Arbeitsweg entweder eine zusätzliche Belastung sein oder er ist eben einfach neutral mein Weg zur Arbeit. Wenn ich nicht weiß, ob ich den Anschluss erreiche, ob ich pünktlich bin, wenn der Weg gefährlich ist, dann wird der Arbeitsweg zum Stressfaktor.
Und klar, das alles ist auch eine Geldfrage. Deswegen wünschen wir uns auch mehr Arbeitgeber, die das Jobticket anwenden oder das Deutschlandticket bezuschussen. Das Jobticket sollte auch attraktiver werden.
Was würde es für die Betriebe bedeuten, wenn neue Linien kämen – mehr Fachkräfte?
Ob der Arbeitsweg gut zu machen ist oder eben nicht, ist ein wichtiges Thema bei der Personalgewinnung. Da geht es auch übrigens nicht bloß um Fachkräfte, es geht, gerade in der Logistik, auch um Helfer. Ein attraktives Mobilitätsmanagement – zum Beispiel indem man als Betrieb Leihräder zur Verfügung stellt, Tickets bezuschusst, eine Ladeinfrastruktur für E-Bikes zur Verfügung stellt oder auch den Werksbus wieder einführt.
Was muss passieren, damit das Thema ernster genommen wird?
Gute Frage. Ernst genommen wird es glaube ich schon, aber vielleicht noch nicht wichtig genug. Aus unserer Sicht muss das auf der Prioritätenliste nach oben – nicht nur in der Politik, auch bei der BSAG. Dort muss man auch neue Konzepte, zum Beispiel OnDemand-Angebote, entwickeln für die Zeiten, wo man einen Bus eben nicht voll kriegt.
Eine neue Chance: Sind in den Infrastruktur-Milliarden auch Gelder für die Anbindungen möglich?
Ich denke, der ÖPNV sollte und wird von Mitteln für zusätzliche Investitionen profitieren, er ist immerhin einer der wichtigsten Akteure in der Klimawende. Aber beim Markieren von Fahrradwegen und dem Bau von Wartehäuschen helfen diese Mittel nicht. Das muss jetzt einfach gemacht werden.