Über Sandhausen geht die Sonne auf, Dunstschleier hängen noch am Boden des Moores. Auch wenn es ein schöner Tag werden wird – noch ist es kalt. Der Jäger Ralf Jonas hat eine Thermoskanne dabei und sitzt in vielen Kleidungsschichten verpackt im Hochsitz „Alte Grüne“. Jeder Hochsitz habe einen Namen, verrät er. Der Plan für die kommenden Stunden sieht eigentlich keinen Abschuss vor, das Gewehr ist dennoch dabei. Über die aktuellen Sorgen und Nöte der Jägerschaft hat Jonas einiges zu erzählen.
„Bei der Demonstration anlässlich der Jagdnovellierung war ich auch dabei“, sagt Jonas. „Und die Ausbildungsrichtlinien werden auch novelliert. Da haben wir aber nichts gegen.“ Hierbei ginge es grundsätzlich darum, dass sich bei der Ausbildung zum Jäger die praktische Prüfung und die schriftliche Prüfung nicht mehr ausgleichen können. Mit einer sehr guten Note im einen oder anderen Teil habe man bislang die Ausbildung zum Jäger bestehen können. Jonas ist im Landkreis mitverantwortlich für die Ausbildung angehender Jäger. Als Pädagoge im Ruhestand ist er für diese Rolle sozusagen prädestiniert.
Sorge der Landwirte
Teil der Ausbildung ist auch Kontakt zu Landwirten, damit man deren Sorgen und Ängste mitbekomme. Thema hierbei seit einiger Zeit natürlich wieder: der Wolf. In Garlstedt gibt es ein festgestelltes Rudel. „Der Wolf ist immer mal Thema, weil es auch Nutztierrisse gibt“, so Jonas. Das sei „keine Schlagzeile mehr“, weil es mittlerweile zum Landleben dazugehöre.
Mittlerweile strahlt die Sonne auf das Jagdgebiet, der letzte Bodennebel hat sich verzogen. Immer wieder hört man einen Fasan, die Geräusche von der B74 werden von den Bäumen hinter der „Alten Grüne“ verschluckt. Jonas sieht in einiger Entfernung eine trächtige Ricke, ein Reh, die zum Äsen ein wenig über das Moor schlendert. „Das ist der trainierte Jägerblick“, meint Jonas zwinkernd und reicht seinen Feldstecher weiter. Auch seine Frau sei öfter erstaunt darüber, wie schnell er Bewegungen in der Natur wahrnehme.
Wahl des Schießstandes
Für die Ausbildung der Jäger im Landkreis spielt aktuell der Schießstand in Waakhausen keine Rolle, man nutze den in Ohrensen, erzählt Jonas. In der Prüfung gebe es drei Disziplinen. Es biete sich daher nur ein Schießstand an, an dem alle drei Disziplinen geprüft werden können. „Wir hoffen, dass wir in den nächsten Jahren die Anlage in Rhadereistedt nutzen können. Aktuell gibt es dort nur Schrotstände, wir benötigen aber auch Kugelstände“, so Jonas weiter. Da in Waakhausen hingegen die Schrotstände geschlossen sind, sei es dort nur möglich, zwei Disziplinen zu prüfen. „Von der Erreichbarkeit her wäre Waakhausen das Schönste“, sagt Jonas, er zweifelt jedoch daran, dass man dort in Zukunft wieder mit Schrot schießen darf.
Dass ein Jäger gut zielen kann, sei wichtig. Immerhin habe man als Jäger eine hohe Verantwortung dem Tier gegenüber, so Jonas. Man müsse vermeiden, dass das Tier leidet. „Deswegen ist man mit seinem Werkzeug, der Büchse, ganz sorgfältig.“
Warum Tiere überhaupt schießen
Doch warum müssen Tiere überhaupt geschossen werden? „Wir haben einen Abschussplan, in unserem Revier sind das zum Beispiel im Jahr 33 Rehe.“ Hierdurch solle das Gleichgewicht in der Natur erhalten bleiben. So seien einmal, erinnert sich Jonas, 1.000 junge Buchen gepflanzt worden, am nächsten Morgen war die Hälfte der kleinen und für die Tiere schmackhaften Bäume weggefressen. Jonas selbst darf im Jahr vier Rehe schießen. Spezialisiert habe er sich aber auf Nutria. Die invasive Art verbreitet sich in Deutschland. Ursprümglich kamen sie von Pelztierfarmen, als diese aufgegeben wurden, habe man die Käfigtüren einfach offen gelassen, so Jonas. Ihm zufolge ist das Fleisch des auch als Bisamratte bekannten Tiers sehr schmackhaft.
Von der „Alten Grüne“ erkennt man mittlerweile drei Rehe. Sie sind noch recht weit entfernt. Doch aufgescheucht von einer morgendlichen Walkerin verschwinden diese schnell zwischen den Bäumen. Jonas packt seine Sachen zusammen, entlädt vor dem Abstieg sein Gewehr, Sicherheit geht vor. Für ihn war es ein schöner, ruhiger Morgen in der Natur.