Erinnern, die Vergangenheit wahrnehmen. Gerade jetzt, wenige Tage nach dem 80. Jahrestag der Befreiung Deutschlands, sind diese Tugenden der Gesellschaft hochzuhalten. Einer, der sich langfristiger mit dem Erinnern beschäftigt, ist Andreas Otterstedt. Ehrenamtlich leitet der technische Schulassistent an der IGS am Campus die schulübergreifende Geschichts-AG Zeitsprung, an der auch Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums und des Lernhauses teilnehmen. Hier beschäftigen diese sich mit dem Dritten Reich, dem Leben zur damaligen Zeit, begeben sich auf Spurensuche und erfahren von Zeitzeugen die emotionale Komponente. Ein besonderer Fokus auf der Vermittlung von Lokalgeschichte. Das alles tun die jungen Menschen in ihrer Freizeit, die Teilnahme an der Geschichts-AG ist freiwillig.
Warum ist aktuell so wichtig, sich intensiv mit dem Dritten Reich zu befassen? Nach und nach verschwinden die Zeitzeugen, so Otterstedt. Kürzlich hatte der Kurs noch Besuch von Ilse Schröder, die sechs Jahre alt war, als der Krieg endete. Sie berichtete vom Verlust ihres gefallenen Vaters, von ihren Erinnerungen an den Fliegeralarm und weiteres, was für einige Zeit zum traurigen Alltag der Menschen gehörte. Schröder merkte bezüglich ihres Vaters an, dass sie den Sinn hinter dem Wort „gefallen“ nie verstanden hatte. Außerdem, so Otterstedt, merke man aktuell, dass Geschichte aus Sicht der momentan herrschenden Gesellschaft geschrieben werde. Für ihn ein weiterer Grund, die Erinnerung lebendig zu halten. „Was Krieg eigentlich bedeutet, das Wissen ist bei Menschen unter 50 im Grunde nicht vorhanden.“
Auch mit Orten, die man nicht besuchen kann, würde sich seine AG beschäftigen. So etwa mit dem 30 mal sechs Meter großen Bunker unter dem Scharmbecker Marktplatz. Hintergründe kann Otterstedt hier aufgrund selbstständig betriebener jahrelanger Recherche erzählen. Etwa, dass der Bunker von Kriegsgefangenen gebuddelt wurde oder auch, welche weiteren Unternehmen in der heutigen Kreisstadt während des Krieges Zwangsarbeiter beschäftigt hatten. „In der Stadt sind auch Bomben gefallen. Etwa am Bahnhof und in Lintel. Generell ist hier mehr passiert, als man ahnt“, sagt Otterstedt.
Was könne er den Schülern zumuten? „Ich bin sehr vorsichtig beim Besprechen von Grausamkeiten, die Schüler sollen keine Schuldgefühle bekommen.“ Damit unterscheide sich sein Ansatz schon stark davon, wie man etwa in den 1980er Jahren mit dem Thema umgegangen sei.