Mehr als 650 Schülerinnen und Schüler in Bremen bleiben pro Schuljahr dauerhaft dem Unterricht fern. Das zeigen Zahlen der Bildungsbehörde (2022/23: 711; 2023/24: 652; 2024/25: bisher 668).
Die so genannten Schulmeider schwänzen nicht einfach nur den Unterricht für einzelne Stunden oder Tage, sie besuchen ihre Schule oftmals für mehrere Monate, sogar Jahre nicht mehr – im Durchschnitt ein bis zwei Jahre.
Schulmeiderprojekte eingerichtet
Um diesen Schülerinnen und Schülern auf ihrem Weg zurück in den Schulalltag zu helfen, richteten das Bildungs- und das Sozialressort gemeinsam mit der Innen- und der Justizbehörde im Jahr 2001 Schulmeiderprojekte als Lernorte ein.
Seit 2024 sind diese Teil der Bildungsabteilungen der vier Regionalen Beratungs- und Unterstützungszentren (ReBUZ). Jedes hat bis zu vier Lerngruppen mit dem Schwerpunkt Schulmeidung. Hinzu kommen weitere Angebote, etwa über das Zentrum für Schule und Beruf (ZSB).
Strategie sich zu entziehen
„Schulmeidung ist immer ein Symptom für Probleme, die im Hintergrund liegen“, erklärt Annika Thomsen, Bereichsleiterin bei Brigg Jugend- und Familienhilfe, welche am ReBUZ Nord zwei Gruppen für Schulmeider anbietet. Es sei eine Strategie, sich der Überforderung und den Problemen zu entziehen.
„Wir beobachten häufig multiple Problemlagen bei den Schülerinnen und Schülern. Familiäre Unstimmigkeiten, eventuell mit psychischen oder Suchterkrankungen innerhalb der Familie, Mobbing und große Ängste“, beschreibt Stephanie Müller, Leiterin der Bildungsabteilung am ReBUZ Nord.
Die Zahl derer mit gleich mehreren sozial-emotionalen Auffälligkeiten steige an, beobachten die Expertinnen. Häufig würden die jungen Menschen auch in Kliniken behandelt, sei der Alltag in einer größeren Gruppe ein Problem, die sozial-emotionale Entwicklung verzögert.
Wichtiger Faktor bei Schulmeidern: Die Eltern
Wenn der Alltag in der Schule dann zum Albtraum wird, zögen sich die Kinder und Jugendlichen zurück. „Je länger sie aus den Strukturen raus sind, desto schwieriger wird es, wieder zurück zu finden“, weiß Müller. Ein wichtiger Faktor seien die Eltern.
Auch diese benötigen laut Thomsen früh Unterstützung und werden von Anfang an, zunächst etwa in Hausbesuchen, mit einbezogen. Die ReBUZ bieten zudem Elterncafés an, um mit Fachkräften ins Gespräch zu kommen.
Individuelle Betreuung und Beziehungsarbeit
In den Lerngruppen sollen die Kinder und Jugendlichen in individuellem Tempo und mit viel Unterstützung zurück in einen schulischen Alltag finden. Der Schlüssel sei in allen Fällen die Beziehungsarbeit, sagt Thomsen.
Aus diesem Grund beginnt der Unterricht in den Gruppen mit einem gemeinsamen Frühstück. Zum Team gehören pro Lerngruppe eine sonderpädagogische Lehrkaft sowie zwei Sozialpädagogen. Die Gruppen sind jahrgangsübergreifend, aber nach Alter sortiert.
„Mit den Schülerinnen und Schülern wird die Motivation und Perspektive besprochen“, erklärt Thomsen. Denn: Für viele Jugendlichen steht der Schulabschluss bevor.
„Sie erleben hier Schule und auch Lehrkräfte anders. So können wir Ängste nehmen und Zugänge finden“, sagt Müller.
Der Stundenplan umfasst neben Deutsch, Englisch und Mathe auch Kunst oder Naturwissenschaften. Der Unterricht ist aber nicht statisch, kann auch mal früher enden, wenn die Lehrkraft merkt, dass die Grenze erreicht ist.
Ziel: Zurück an die Schule
Oberste Priorität hat es, die Freude und Bereitschaft zum Lernen wiederzufinden. Dies kann auch durch einen langsamen Start in den verlorenen Schulalltag gelingen – zunächst mit einzelnen Stunden pro Woche.
„Sie sollen merken, dass sie willkommen sind. Ein Bußgeld würde da nicht zum Ziel führen“, sagt Müller. Erst wenn auch die Hilfe des ReBUZ komplett verweigert wird, werde ressortübergreifend im Netzwerk und in Zusammenarbeit mit Kliniken über weitere Schritte gesprochen.
Auch Eltern können aktiv werden
Um einen der wenigen Plätze in einer Lerngruppe zu erhalten, muss nicht erst die Schule aktiv werden. „Auch die Eltern oder die Schüler und Schülerinnen selbst können sich an uns wenden“, sagt Müller. In Kooperationssitzungen werden Bedarfe anonymisiert gesichtet.
Das Ziel am Ende jeder Hilfe sei die Re-Integration an die Stammschule. „Die meisten schaffen es. Es ist schön, diese Effekte zu sehen“, sagt Müller.
Die Beratungszeiten und Kontaktangaben der einzelnen ReBUZ finden Eltern und Betroffene unter rebuz.bremen.de/service/kontaktangaben-9826.