Herr Schneiker, welche Zukunft hat die Fernwärme in Bremen?
Karsten Schneiker: Man muss für Bremen in sehr unterschiedlichen Bereichen denken. Etwa 15 Prozent des Wärmebedarfs wird heute schon durch Fernwärme abgedeckt. Da gibt es Potenzial das weiter auszubauen ist. Aber Fernwärme wird nicht die Lösung für alle Bereiche und alle Häuser in Bremen sein. Unser Ziel ist Klimaneutralität 2035. Um das zu erreichen, müssen wir wegkommen von den vielen Gas- und Ölheizungen, die wir immer noch haben.
Wie groß ist der Anteil von Öl und Gas in Bremen noch?
Etwa 60 Prozent des Wärmebedarfs werden mit Gas erzeugt und etwas unter 20 Prozent mit Öl. Typischerweise sind das die Wohngebäude, die im eigenen Keller noch ihre Wärme erzeugen. Um davon wegzukommen, gibt es unterschiedliche klimaneutrale Lösungen. Vereinfacht gesagt: Oberneuland etwa hat große Grundstücke, da wird die Wärmepumpe das Mittel der Wahl sein. In der dicht besiedelten Innenstadt kann sich nicht jeder eine Wärmepumpe hinstellen. Da ist leitungsgebundene Wärme sicherlich die sinnvollste Lösung. Das sind die Extremfälle. Dazwischen gibt es etwa Walle/Findorff, Reihenhäuser, nicht saniert, Minivorgärten. Da wird eine Wärmepumpe sehr teuer, weil man sehr viel Strom braucht, um diese Gebäude zu beheizen. Das heißt: Es bleiben Bereiche übrig, wo sich keine Lösung sofort aufdrängt.
Um von bisher 15 Prozent auf die angestrebten 30 Prozent Fernwärmeanteil in Bremen zu kommen, werden Sie viele Menschen überzeugen müssen. Angesichts der jüngsten Preissteigerung dürfte das nicht ganz einfach werden.
Wenn die CO2-Besteuerung für Benzin, Heizöl, Erdgas wie beschlossen kommt, dann werden wir ab 2027 deutlich steigende Erdgas- und Benzinpreise sehen. Das bietet die Chance, dass die Fernwärme noch deutlich wirtschaftlicher wird, als sie es heute schon ist. Der Vergleich mit den heutigen, im Sommer gerade wieder sehr niedrigen Gaspreisen, bringt ein falsches Bild. Das darf man nicht mit den einmaligen hohen Kosten für den Fernwärmeanschluss vergleichen. Wir glauben, leitungsgebundene Wärme wird sich durchsetzen. Gerade in dicht besiedelten Städten gibt es keine Alternative.
Die jüngste Preiserhöhung betrifft doch die jährlichen Kosten.
Ja, wir haben in Bremen den Preis um knapp 20 Prozent erhöht. Aber wir waren vorher im Preisvergleich nach Bundesländern das mit der günstigsten Fernwärme. Direkt nach uns hat Hamburg um 30 Prozent, Frankfurt um 26 bis 36 Prozent erhöht. Der Grund ist überall der Ausbau mit gleichzeitiger Dekarbonisierung. Beides braucht Investitionen.
Ihr Unternehmen hat den Ausbau des Fernwärmenetzes Richtung Innenstadt angekündigt. Welche Bereiche genau wollen Sie erschließen?
Bisher sind wir mit dem Netz östlich und westlich der Innenstadt. Wir prüfen beide Richtungen für den Anschluss. Je historischer eine Innenstadt, desto komplizierter. Die Wallanlagen rund um die Innenstadt bringen einige Herausforderungen. Die Variante von Osten an der Kunsthalle vorbei, scheint uns aktuell früher umsetzbar. Wir können aber nicht Haus für Haus anschließen. Wir müssen schauen, wie wir mit den Kilometern, die wir bauen, möglichst viele Abnehmer erreichen.
Wie viel Leitung schaffen Sie pro Jahr?
Das bestehende Netz umfasst etwa 420 Kilometer. Wir haben bisher etwa zwei Kilometer pro Jahr ausgebaut. In diesem Jahr wollen wir sechs bis sieben schaffen. Mehr wird schwierig, und das liegt nicht am fehlenden Willen. Die Finanzierung würden wir hinbekommen. Wir haben 200 neue Stellen geschaffen, größtenteils um Netzausbauprojekte voranzutreiben. Aber wir benötigen auch Dienstleister. Gerade Tiefbauer sind nicht unbegrenzt zu bekommen. Dann braucht man noch Genehmigungen. Wir können den Bremern auch nicht zumuten, an jeder Straße eine Baustelle zu haben. Aber: Wir werden deutlich mehr Baustellen sehen. Von zwei auf sieben Kilometer Ausbau zu gehen, heißt: Verdreifachung der Baustellen. Und Staus. Und Ärger. Die Wärmewende wird für viele eine Zumutung sein, aber sie lohnt sich.
Reicht das angestrebte Ausbautempo, um das 30-Prozent-Ziel zu erreichen?
Wenn wir sieben Kilometer pro Jahr schaffen, können wir in den nächsten 15 Jahren etwa 100 Kilometer ausbauen. Es muss das Ziel sein, mit diesen 100 Kilometern so viel CO2-Ausstoß wie möglich zu ersetzen. Das schaffen wir nur, wenn wir erstmal große Verbraucher – das sind Schulen oder Krankenhäuser – anschließen und natürlich alle, die auf dem Weg liegen. Wir brauchen große Volumina, damit die Preise nicht weiter steigen. Das ist unser Ziel. Wir gehen davon aus, dass es uns mit der jetzt erfolgten Preiserhöhung gelingt, einerseits den Ausbau zu finanzieren und andererseits in dicht besiedelten Gebieten die wirtschaftlichste Wärmeversorgung anzubieten.
Welche Übergangslösungen gibt es für Eigentümer in Ausbaubereichen die jetzt eine Gas- oder Ölheizung ersetzen müssen und nicht auf die Fernwärme warten können?
Das ist schwierig. Meine Sorge ist auch, wenn jetzt die kommunale Wärmeplanung veröffentlicht wird, dass es dann viele Gebiete gibt, die prinzipiell für leitungsgebundene Wärmeversorgung geeignet sind. Dann entsteht natürlich die Erwartungshaltung, wenn morgen meine Heizung kaputt geht, dann bitte übermorgen anschließen. Das ist aber nicht zu schaffen. Wer in der Straße zur Schule oder zum Krankenhaus wohnt, der bekommt schnell seinen Anschluss. Wer zwei Querstraßen weiter wohnt, bei dem kann das auch zehn Jahre dauern. Ich würde nicht raten, eine neue Gasheizung einzubauen. Besser wäre in so einem Fall, die alte Heizung zu reparieren und durchzuhalten.







