Arm. Armut, Wohnarmut, Interview, SPD, Paritätischer, Wohlfahrt, Wohlfahrtsverband, Bremen „Wohnen macht arm“: Greta Schabram vom Paritätischen Gesamtverband sprach auf Einladung der SPD im Haus der Wissenschaft mit Bremerinnen und Bremern. Foto: Marcus Schmidt
Interview

Das Wohnen macht 17,5 Millionen Menschen arm

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Greta Schabram vom Paritätischen Gesamtverband spricht über Erfahrungen und Lösungen

WESER REPORT: Frau Schabram, als Referentin für Sozialforschung, Wohnen und Statistik beim Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband wissen Sie: Für 16 Prozent aller Miethaushalte liegt der Anteil der Wohnkosten bei über 40 Prozent. 21 Prozent der Bevölkerung, etwa 17,5 Millionen Menschen sind von Wohnarmut betroffen. Zahlen von 2024– ist es schlimmer geworden?

Greta Schabram: Für statistische Gründe ist das noch aktuell. Die Zahlen sind letztes Jahr herausgekommen. Durch den Faktor Wohnen sind 5,4 Millionen Menschen mehr von Armut betroffen, als wir bisher angenommen haben.

Wo liegen die Hauptursachen?

Die Hauptursachen sind, dass es in den letzten Jahren eine enorme Preisspirale vor allem bei den Mieten gegeben hat. Das hat ganz vielfältige Gründe: Von höheren Zinsen bis zu gestiegenen Baupreisen. Aber es gab auch politische Konsequenzen: Der Verkauf von kommunalen Wohnungsbeständen. Zudem gibt es einen historischen Tiefstand an Sozialwohnungen. Es gab mal drei Millionen, jetzt sind es nur noch eine Million. Wir haben einen enormen Bedarf an Sozialwohnungen. Zudem brauchen wir einen viel konsequenteren Mieterinnen- und Mieterschutz.

Welche Bevölkerungsgruppe trifft es am härtesten – Junge, Singles, Alleinerziehende, Erwerbslose oder Rentner?

Da haben Sie schon die Richtigen genannt. Vor allem diejenigen, die alleine leben. Dass sind junge Erwachsen, die gerade in der Ausbildung sind und sich die hohen Mieten nicht leisten können. Studierende und Alleinerziehende sind stark betroffen. Auch die Gruppe der Rentner, kinderreichen Familien und wohnungslosen Menschen wird immer größer.

Wie vermeidet man Mietschulden – wer hilft?

Am besten wäre es, wenn die Ämter frühzeitig erfahren würden, wo sich Mietschulden auftun. Und: Dass man Kündigungen abwenden kann, wenn man Mietschulden ausgleicht.

Sie sind auf Einladung der SPD Bremen zu einer Diskussionsveranstaltung angereist. An der Weser regieren die Sozialdemokraten schon lange. Bundesweit sind sie weiter dabei. Sollten gerade die es nicht besser machen?

Die Konsequenzen, die wir jetzt am Wohnungsmarkt spüren, haben mehrere Regierungen verschlafen. Beispielsweise den Neubau anzukurbeln, weil wir ein Bevölkerungswachstum haben. Und es wurde verschlafen, den Wohnungsmarkt mit einer konsequenten Mietenpolitik weiter zu schützen.

Was raten Sie allen politischen Parteien?

Was man jetzt machen kann, ist die Mietpreisbremse nachzuschärfen!

Haben Sie selbst mal Angst vor Obdachlosigkeit gehabt?

Ich habe drei Kinder und bin darauf angewiesen, in Berlin zu wohnen. Als das erste Kind geboren wurde, hab ich gesagt: Manometer, wie kriege ich das hin? Kann ich hier in der Nähe der Schule bleiben oder muss ich ganz weit rausziehen? Seit ihrer Geburt habe ich das erste Kind in einer Genossenschaft angemeldet. Wenn die mal irgendwann auszieht, dann werde ich ihr keine Wohnung für 1.000 Euro finanzieren können.

Sehen Sie Licht am Ende des Tunnels?

Ehrlich gesagt, bin ich zurzeit pessimistisch, weil ich die Befürchtung habe, dass die Regierung nicht genug Mut hat, um zu investieren und in den Mietmarkt einzugreifen. Der Mut zur Umsetzung fehlt.

Ihr Tipp für Bremen?

Was man auf kommunaler Ebene tun kann, ist dafür zu sorgen, dass es einen hohen Bestand an Sozialwohnungen gibt und nicht so viel umgewandelt wird. Bei den Kommunen kann man versuchen, möglichst viel in einen dauerhaft gebundenen sozialen Wohnungsbau zu investieren.

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