WESER REPORT: Herr Bovenschulte, was bedeutet Ihnen persönlich die Aufgabe, den Vorsitz im Bundesrat zu übernehmen?
ANDREAS BOVENSCHULTE: Das ist natürlich eine große Ehre. Man muss sich vorstellen: Nur alle 16 Jahre kommt eine Länderchefin oder ein Länderchef in die Position, Bundesratspräsident zu werden. In Bremen war das zuletzt vor 16 Jahren mein Vor-Vorgänger, Bürgermeister Jens Böhrnsen. Den hat es damals gleich richtig erwischt, weil der Bundespräsident zurückgetreten war und er das Amt für einige Wochen übernehmen musste.
Da wünsche ich Frank-Walter Steinmeier keinerlei Amtsmüdigkeit und allerbeste Gesundheit (lacht). Aber es ist ja immer auch eine Chance, das eigene Land in den Fokus zu rücken. Wie gesagt – eine große Ehre, aber auch eine neue Aufgabe.
Welche Interessen wollen Sie als Bundesratspräsident vertreten?
Erst einmal muss man als Bundesratspräsident natürlich die Interessen der Länder insgesamt vertreten – und das kann man unterschiedlich interpretieren. Meine Haltung ist, dass unser Föderalismus stark ist, weil er solidarisch funktioniert: Die Länder, egal wie groß, arbeiten auf Augenhöhe zusammen; jedes bringt seine Stärken und Herausforderungen ein.
Eine Leitlinie meiner Präsidentschaft ist daher: solidarischen Föderalismus leben. Ich will das Gemeinsame, nicht das Trennende in unserer Gesellschaft betonen. Darüber hinaus vertrete ich als Bundesratspräsident Deutschland auch international und werde mich vor allem auch dafür einsetzen den Zusammenhalt in Europa zu stärken – etwas, wofür Bremen mit seinen vielen internationalen Kontakten gut prädestiniert ist.
Und wie schwingen da die Bremer Interessen mit?
Die Menschen achten natürlich darauf, aus welchem Land der Bundesratspräsident kommt. Mein Ziel ist, Bremen in zweierlei Hinsicht zu präsentieren: als solidarisches Land, das Weltoffenheit lebt und daraus Kraft schöpft – um zu zeigen: Vielfalt ist machbar, Herr Nachbar. Zum anderen als wirtschaftlich starkes, technologisch avanciertes Land mit zahlreichen nationalen und internationalen Spitzenunternehmen, etwa in der Raumfahrt. Da passt es gut, dass gleich zu Beginn meiner Präsidentschaft die ESA-Ministerratskonferenz und damit die europäischen Raumfahrtminister nach Bremen kommen.
Kann Bremen von der Bundesratspräsidentschaft profitieren?
Das hoffe ich sehr. Man darf nicht davon ausgehen, dass sich das sofort in Unternehmensansiedlungen oder Lobeshymnen in der Presse niederschlägt. Aber es geht darum, das Bild von Bremen und Bremerhaven in der Öffentlichkeit positiv zu formen und unser Image zu verbessern. Und als Bundesratspräsident kann man natürlich etwas dazu beitragen.
Gibt es etwas, dass die anderen Bundesländer oder gar Deutschland von Bremen lernen kann?
Auf jeden Fall. Wir erleben im Moment ja einen massiven Strukturwandel, der vor allem in Süddeutschland viele Industriearbeitsplätze kostet. Auch wenn Bremen derzeit nicht so hart getroffen ist, kennen wir das von früher nur allzu gut. Dann kommt es darauf an, die Zukunft in die eigene Hand zu nehmen. Oder sprechen wir über Vielfalt und Weltoffenheit. Auch da kann man von Bremen lernen. Natürlich gibt es auch bei uns echte Probleme, keine Frage. Aber das Zusammenleben der unterschiedlichsten Menschen aus den verschiedensten Nationen, das funktioniert hier im Wesentlichen gut.
Und umgekehrt?
Auch wir können natürlich viel lernen. Mein Leitsatz ist ja ohnehin: „Lieber gut geklaut als schlecht selbst erfunden.“ Es lohnt sich zum Beispiel gelegentlich nach Hamburg zu schauen, denn die machen da vieles richtig. Auch, weil Hamburg mehr Geld als Bremen und Bremerhaven hat, aber trotzdem: Von anderen lernen ist ja eigentlich das Wesen des kooperativen, solidarischen Föderalismus. Kein Einheitsbrei und kein Gegeneinander, sondern man überträgt das, was gut läuft, auf das eigene Land.
Zu Beginn ihrer Ratspräsidentschaft befindet sich der Bremer Senat in schwierigen Zeiten. Erst der Rücktritt von Umweltsenatorin Kathrin Moosdorf, jetzt will die CDU einen Untersuchungsausschuss zur Staatsratsaffäre rund um Kristina Vogt. Belastet das ihre Arbeit, auch als Bundesratspräsident?
Es ist nicht so, dass mir ohne Untersuchungsausschuss was gefehlt hätte, aber Auseinandersetzungen gehören nun mal zur Politik, auch solche, die mit verstärkter Höflichkeit ausgetragen werden. Eine Belastung sehe ich darin nicht, auch wenn ich meine Arbeitskraft gerne anders genutzt hätte.
Inwiefern anders?
Ein Untersuchungsausschuss kostet viel Zeit. Ich hätte die gerne genutzt, um Bremen und Bremerhaven weiter voranzubringen.
Blicken wir in die Zukunft: Zum Ende der Amtszeit sind die Feierlichkeiten zum Tag der deutschen Einheit Teil der Ratspräsidentschaft. Wie will Bremen sich da präsentieren?
Wir planen einen besonderen Tag der Deutschen Einheit, der sowohl inhaltlich stark ist als auch den Volksfestcharakter betont. Es soll ein Fest für alle Menschen in Bremen und Bremerhaven werden und natürlich für unsere Gäste aus Deutschland und der Welt. Gemeinschaftsgefühl und Unterhaltung sollen im Vordergrund stehen – hoffentlich bei spätsommerlichem Herbstwetter.
Der Senat kann das aber nicht allein stemmen. Der Tag der Deutschen Einheit braucht die gesamte Zivilgesellschaft und die Wirtschaft, nicht nur die Politik, wir brauchen ein Alle- Frau- und Alle-Mann-Manöver. Die konkreten Planungen sind gerade erst angelaufen, aber klar ist: Die Innenstadt spielt eine zentrale Rolle. Eine Verlagerung an den Stadtrand ist nicht vorgesehen.
Wenn Sie dann zurückschauen: Woran würden Sie erkennen, dass diese Präsidentschaft erfolgreich war?
Wenn ich zurückblicken und sagen kann: Wir haben unsere Demokratie in Deutschland gestärkt und unseren sozialen Rechtsstaat gegen alle Angriffe von innen und außen verteidigt. Wenn ich ein wenig dazu beigetragen habe, das Lebensgefühl in Deutschland positiver und optimistischer zu gestalten, mit mehr Gemeinschaft und weniger Vereinzelung. Dann würde ich sagen: Es hat sich gelohnt.
Das Gespräch führte Philipp Behrbom






