Silvesterböller gibt es in verschiedenen Formen und Farben, von unscheinbar bis martialisch anmutend. Die lauten Geräusche sind für viele Tiere und Menschen unertragbar. Foto: Archiv Silvesterböller gibt es in verschiedenen Formen und Farben, von unscheinbar bis martialisch anmutend. Die lauten Geräusche sind für viele Tiere und Menschen unertragbar. Foto: Archiv
Silvester

Die Nacht der Angst

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Übergangswohnheime und Tierheime treffen Vorkehrungen gegen Böllerstress

Es war eher eine Knallerbse als ein Höhenfeuerwerk in Sachen Böllerverbot: 66 Beschlüsse hat die Innenministerkonferenz (IMK) in der vergangenen Woche gefasst. Die Kommunen sollen mehr Handlungsspielraum bekommen, die Böllerei an Silvester einzuschränken – viel mehr jedoch nicht. An verschiedenen Orten in Bremen bereitet man sich derweil in gewohnter Weise auf die Böllerei vor – und auf deren Folgen.

Übergangswohnheime bereiten sich vor

Das Viertel und die Bahnhofsvorstadt gelten in der Silvesternacht als Orte, an denen besonders viel geböllert wird. In unmittelbarer Nähe befinden sich jedoch mehrere Übergangswohnheime für Geflüchtete. „Die Wachdienste in den von der AWO Bremen betreuten Übergangswohnheimen und Erstaufnahmeeinrichtungen sowie unser Personal sind an diesen Tagen besonders sensibilisiert“, erklärt Anke Wiebersiek, Sprecherin der AWO Bremen.

Denn Geflüchtete aus Kriegsgebieten werden durch die Geräusche häufig an traumatische Zeiten in ihrem Heimatland erinnert. „Gerade durch die Böller-Detonationen reagieren die Betroffenen mit Stresssymptomen und Ängsten bis hin zu Panikattacken“, erklärt Peter Bagus, Chefarzt der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Klinikum Bremen-Ost. „Der Hormonstoffwechsel verändert sich, der Blutdruck steigt, das Herz rast, Schweiß bricht aus“, beschreibt Bagus die Symptome weiter. Betroffene fühlten sich regelrecht in die Situation zurückversetzt.

In den Einrichtungen der AWO kläre man die Bewohnerinnen und Bewohner im Vorfeld über das Silvesterfeuerwerk und den dadurch entstehenden Lärm auf, so Wiebersiek. Auf den Abend selbst könne man sich zudem gut vorbereiten, meint auch Bagus. Der Chefarzt rät Betroffenen, in Naturschutzgebiete oder andere ruhige Umgebungen zu fahren. Wer diese Möglichkeit nicht habe, könne auf geräuschreduzierende Kopfhörer zurückgreifen.

Böller vor Silvester als größerer Trigger

„Anders ist das bei Böllern, die schon Wochen vorher plötzlich und ohne Vorwarnung gezündet werden. Dann ist das Erschrecken viel größer“, mahnt Bagus. Stark betroffene Menschen sollten sich darüber hinaus psychotherapeutische Hilfe suchen. Betroffen sind nicht nur Geflüchtete, sondern alle Menschen mit schweren traumatischen Kriegserfahrungen, betont Bagus – also auch jene, die den Zweiten Weltkrieg miterlebt haben.

Silvesternacht für Wildtiere belastend

Aber auch für Wildtiere, frei laufende Katzen, Weidetiere und Vögel sei diese Nacht besonders belastend, erklärt Gaby Schwab, Sprecherin des Bremer Tierschutzvereins. Um die Nacht für die Tiere des Bremer Tierheims so erträglich wie möglich zu gestalten, werde die Beleuchtung gedimmt, und ein bis zwei Mitarbeiter würden den Tieren über Nacht Gesellschaft leisten. „Zudem wird überall Musik laufen, so dass die Tiere die Böllerei nicht so sehr mitbekommen“, beschreibt Schwab die Vorbereitungen.

Wie Bagus betont auch Schwab, dass man sich auf die Böllerei vor der Silvesternacht nur schlecht vorbereiten könne. Ein generelles Feuerwerksverbot sei für die Tiere hilfreich, so Schwab. Für dieses Silvester wird es, das zeigt die IMK, allerdings ein Silvester wie jedes Jahr.

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