In der Wartehalle vom Hauptbahnhof Bremen ist keine Hauptverkehrszeit. Trotzdem strömen Tausende zu den beiden engen Ausgängen Richtung Innenstadt. Zivilfahnder Ronny N. (der Name wurde geändert) dreht sich plötzlich um und verschwindet für Minuten in Richtung Tunnel. Als er wiederkommt, entschuldigt er sich: „Ich habe gerade jemanden wiedererkannt.“ Genau das ist sein Job: „Wiedererkenner“, wie er es am liebsten hört. Die Bundespolizei spricht von: „Superrecognizer“. Das ist jemand, der Gesichter, Körperbau und Bewegungen besonders gut wiedererkennen kann. In Bremen gibt es zurzeit nur einen Beamten, der am Bahnhof und Flughafen so Straftäter sucht.
Niedriger zweistelliger Bereich von Recognizern
Zivilfahnder N. gehört zu einem Kreis von Beamten im niedrigen zweistelligen Bereich, die mit ihren Seh- und Gedächtnis-Fähigkeiten für die Bundespolizei in Hannover arbeiten. „Mit diesen Beamten verfügt die Bundespolizei über eine Kombination von Fähigkeiten, zum Beispiel dass Gesamtzusammenhänge und Handlungskontexte unmittelbar in die Wiedererkennung miteinbezogen werden, die Erkennungssoftware alleine so nicht bietet“, so Pressesprecher Simon Gruhl und erklärt: „Zumal die Bundespolizei eine künstliche Intelligenz, die live Bilder sucht, bisher weder tatsächlich noch rechtlich zur Verfügung steht.
Namen Prominenter für Gesuchte
N. erklärt, dass er schon nach der Schulzeit bemerkt habe, dass er Menschen auch nach 20 Jahren erkennen kann: „Mir fiel es immer schon leicht, Leute zu erkennen.“ So sehr, dass er sie oft nicht anspricht: „Das könnte unangenehm sein, wenn der andere einen nicht gleich erkennt.“ Im Fall seiner Fahndungsarbeit gibt er sich auch nicht zu erkennen und fordert uniformierte Kollegen an, die dann den gesuchten Straftäter zu zur Kontrolle bitten: „Sie stellen dann zunächst die Identität fest und leiten weitere Maßnahmen ein.“ Um sich die Gesichter besser einprägen zu können, gibt er den Gesuchten Namen Prominenter. Aber egal, ob es ein Böllerwerfer ist, den er nach Jahren wiedersieht oder einen anderen Straftäter: „In mir zieht sich dann alles zusammen, und ich liege dann meistens richtig.“
Zug mit 800 Fans durchsucht
Seine Schicht, zum Beispiel am Hauptbahnhof, beginnt mit dem Blick in Fahndungslisten und auf die Bildschirmüberwachung. Dort schaut N. zum Beispiel auf die Bahnsteige, in den Auskunftsbereich oder auf die Eingänge. Sein mengenmäßig größter Einsatz war eine Kontrolle in einem Zug am 17. Februar in Hamburg-Bergedorf. Dort musste die Identität von 800 Fußballfans überprüft werden. Fast 50, zum Beispiel mit Verdacht auf Landfriedensbruch, wurden dabei durch den Einsatz der Superrecognizer der Bundespolizei gesucht und gefunden.
N. träumt von der Arbeit
Ob seine Aussage als Superrecognizer vor Gericht standhalte? „Sollten sie mit dem bekannten, zertifizierten Können. Meine Aussagen wurde noch nicht auseinandergenommen.“ Am Ende einer Schicht brauche der Fahnder eine längere Pause bis zur nächsten Suche. Oft träume er noch zu Hause von den Gesuchten. Doch nach sieben Jahren im Polizeidienst und im ersten Jahr – ausgiebig getestet – mit der Zusatzqualifikation, mache es richtig Spaß. „Ich bin sehr glücklich darüber“, sagt der Mann, der alle erkennt, aber selber nicht erkannt werden darf.