Zwei, die Bürgeranliegen in die Parlamente tragen möchten: Claas Rohmeyer (CDU) ist Vorsitzender des Petitionsausschusses der Bremischen Bürgerschaft, Martina Stamm-Fibich (SPD) übt diese Funktion im Deutschen Bundestag aus. Foto: Schlie Zwei, die Bürgeranliegen in die Parlamente tragen möchten: Claas Rohmeyer (CDU) ist Vorsitzender des Petitionsausschusses der Bremischen Bürgerschaft, Martina Stamm-Fibich (SPD) übt diese Funktion im Deutschen Bundestag aus. Foto: Schlie
Petitonsausschuss

„Das nimmt mich persönlich mit!“

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In einem Interview erklären die Vorsitzenden der Petitionsauschüsse Ihre Arbeit.

Martina Stramm-Fibich und Claas Rohmeyer über die Arbeit in Petitionsausschüssen

Weser Report: Es heißt, Petitionsausschüsse seien die Seismographen der politischen Stimmung. Demnach müssten sie aktuell Erdbeben registrieren, oder?

Stamm-Fibich: Wir merken schon, dass sich seit der Pandemie viel verändert hat. Wir haben Petitionen, die ich mir vor fünf Jahren nicht hätte denken können. Auch in der Art und Weise, wie formuliert wird. Auch wie mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ausschussdienstes am Telefon umgegangen wird. Wir haben auch andere Themen. Etwa „Wir lassen die Atomkraftwerke jetzt doch länger laufen“, diese Stuttgarter Erklärung, mit wahnsinnig vielen Unterstützern, über 100.000. Oder der WHO-Pandemie-Vertrag – ein Riesenthema. Wir merken schon, was polarisiert. Ich will aber ausdrücken, dass wir uns wirklich Mühe geben, diese Anliegen unter den gleichen Regularien abzuarbeiten, wie alle anderen auch.

Petitionsausschüsse sollen ja grundsätzlich ein Mittel sein, um Demokratieverdrossenheit entgegen zu wirken. Ist das unter diesen Umständen überhaupt möglich?

Stamm-Fibich: Ich bin überrascht, wie gut es die Vertreterinnen und Vertreter der Ministerien bei uns machen. Die bleiben da sehr sachlich und sind sehr fundiert in ihrer Argumentation. Für die Abgeordneten und für die Sitzungsleitung ist es schwieriger. Ich habe in der Anhörung einen fatalen Fehler gemacht und von „sogenannter Stuttgarter Erklärung“ gesprochen. Das Wort „sogenannte“ wurde mir richtig übel genommen, bis hin zu persönlichen Anfeindungen. Das hatte ich vorher nicht. Da müssen wir als Abgeordnete ein bisschen an uns arbeiten. Dennoch ist der Mehrwert der Erkenntnissse durch solche öffentlichen Sitzungen ist für alle Beteiligten ein großer.

Welche Petition hat Sie bisher am meisten beeindruckt?

Stamm-Fibich: Ich habe eine Petition, da versuche ich seit neun Jahren das Bundesministerium für Gesundheit dazu zu bringen, etwas zu tun. Wir haben jetzt die zweite gutachterliche Stellungnahme. Da geht es um Staatshaftung, 60er, 70er Jahre, ein ähnliches Präparat wie Contagan. Ich habe in unzähligen Wohnzimmern gesessen und Frauen haben mir ihre Geschichten erzählt. Da sind Kinder gestorben, da gab es Missbildungen. Das bewegt die Familien bis heute. Das nimmt mich persönlich mit.

Rohmeyer: Ich habe auch eine Petition, da haben wir drei Legislaturperioden dran gearbeitet und am Ende einen Erfolg für die Petenten erreichen können. Da kann ich leider nicht öffentlich drüber sprechen, was es war. Richtig persönlich haben mich immer die Petitionen betroffen gemacht, wo sich Menschen für andere Menschen eingesetzt haben. Das war zum Beispiel eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern, die sich für eine Mitschülerin eingesetzt haben.

Wie wirkt sich die Digitalisierung auf Ihre Arbeit aus?

Stamm-Fibich: Bei uns leider noch nicht so, wie wir uns das vorstellen. Wir haben noch keine E-Akte im Bundestag. Wir schicken immer noch Papierakten durch halb Berlin. Das sind wir gerade dabei. Das ist wirklich ein steiniger Weg. Auf der anderen Seite bekommen wir viele Zuschriften „Ich habe da mal eine Petition eingereicht“. Mein Mitarbeiter weiß dann nach einer Minute, ja bei change.org oder openpetition.de, aber leider nicht bei uns. Da geht viel durcheinander. Das können wir aber lösen. Die Leute reichen die Petitionen zunehmend bei uns ein.

Rohmeyer: Wir haben in Bremen auch noch eine Papierakte, arbeiten in dieser Papierakte aber zunehmend digital, etwa mit den Ressorts. Auch den Abgeordneten steht die Papierakte digital zur Verfügung. Wir haben in Bremen die Petition per E-Mail möglich gemacht. Die Online-Petition gab es ja vorher auch schon. Das hat ja alles damit zu tun, niedrigschwelliger zu sein, es einfacher zu machen, eine Petition einzureichen.

Welche Herausforderungen sehen Sie für die kommenden Jahre?

Rohmeyer: Ziel muss es sein, eine Petition so einfach wie möglich ans Parlament heranzutragen. Also beispielsweise auch per Whatsapp oder einen anderen Messenger-Dienst. Der Petitionsausschuss ist da einziges Parlamentsorgan, an das sich Bürgerinnen und Bürger direkt wenden können. Damit ist er eigentlich der wichtigste Ausschuss. Es muss für Bürgerinnen und Bürger möglich sein, sich einerseits rechtssicher, andererseits aber so einfach wie möglich ans Parlament zu wenden.

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