Weg vom Fluchtgedanken. Man habe ein Frauenbild, das die Frau ins Tun holen soll, argumentiert der Landkreis. Der Weisse Ring berichtet indes von überlaufenen Frauenhäusern. Foto: pixabay
Landkreis

Gibt es den Frauenhausmangel?

Von
Weisser Ring und Landkreis vertreten unterschiedliche Ansichten

Cornelius Eckehard Ledig leitet die hiesige Außenstelle des Weissen Rings und ist gleichzeitig deren einziger Mitarbeiter. Alles Ehrenamt, natürlich. Ob er sich schon einmal überlegt habe, einen Trägerverein aufzurollen, um im Landkreis auf längere Sicht wieder ein Frauenhaus zu gründen. Sozusagen von hinten aufgerollt. „Das schaffe ich nicht“, sagt der Rentner, für den das Ehrenamt zu großen Teilen ein Vollzeitjob ist.

Der Landkreis hat die Bezuschussung des damaligen Frauenhauses in Schwanewede vor knapp 20 Jahren eingestellt und gleichzeitig entschieden, die Aufgabe Gewaltschutz selbst zu übernehmen und zwar mit einer Gewaltschutzberatungsstelle, einer Schutzwohnung sowie dem Frauennotruf. „In regelmäßigen Gesprächen wurde bei allen Frauen, die dieses Angebot in Anspruch genommen haben deutlich, dass sie sich ausreichend unterstützt und begleitet gefühlt haben“, so der Landkreis auf Anfrage.

Nur 3 Kreise ohne Frauenhaus

„37 von 40 Kreisen in Niedersachsen haben Frauenhäuser, in Schwanewede gab es bis 2005 auch in Osterholz eines“, erzählt Ledig. „Macht das Gewaltschutzgesetz die Frauenhäuser überflüssig“, stellt die Broschüre „Mehr Schutz bei häuslicher Gewalt“ vom Bundesministerium für Justiz die Frage. Die klare Antwort in dem Heft: Nein. Ledig vertritt ebenso diese Position. Aber: „Der Landkreis betrachtet das eigene Gewaltschutzmodell als für die Menschen in der Region passend und kann dabei schon auf eine erfolgreiche 20-jährige Erfahrung zurückblicken“, hält die Kreisverwaltung dagegen. So unterstreicht auch Heike Schumacher, Erste Kreisrätin: „Es gibt keinen Fall in 20 Jahren, wo das nicht funktioniert hätte.“

Schon allein, so die Argumentation Ledigs, die Aufnahme von Frauen über die Kreisgrenze hinweg gestalte sich schwierig. So etwa das Frauenhaus in Bremen Nord, mit dem Ledig schon Gespräche geführt hatte. Dort hieß es, man würde gerne Frauen aus dem Umland aufnehmen, man sei aber nicht in der Lage, Leute aufzunehmen, wenn dies nicht in einem fairen Handel funktioniert. Also: Kann Osterholz keine Frauen aus anderen Kreisen aufnehmen, sehen diese anderen Kreise sich nicht in der Lage, ihrerseits Frauen aufzunehmen. „Theoretisch kann man sagen: Die Frauen können auch ins Umland. Überhaupt einen Platz zu bekommen ist aber die erste große Hürde. Es findet eben ein Austausch der Frauenhäuser untereinander statt. Ein Geben und Nehmen.“ Das sieht Schumacher gänzlich anders und verweist auf Silke Schnaars aus der Gewaltschutzberatungsstelle. Diese erzählt, es gäbe durchaus Fälle, wo Frauen aus dem Landkreis in Frauenhäusern untergebracht werden konnten. Das funktioniere dann deutschlandweit, per Ampelsystem gäben Frauenhäuser ihre Verfügbarkeiten bekannt. Wenn eine Unterbringung innerhalb des Landkreises aber außerhalb des ursprünglichen Wohnortes angebracht sei, würde man auch durchaus Wohnungen akquirieren können, sagt Schumacher außerdem.

Landkreis arbeitet mit anderem Frauenbild

„Die Verweildauer in Frauenhäusern ist derweil von früher drei auf mittlerweile neun Monate angestiegen. Das haben mir andere bestätigt“, sagt Ledig. Weil betroffene Frauen in der Regel kein eigenes Einkommen haben oder alleinerziehend sind. „Die wirtschaftliche Situation schlägt sich durch und zwar nicht über Gewalt, sondern durch die monetären Verhältnisse der Betroffenen“, erklärt Ledig. „Wir haben ein anderes Frauenbild und wollen die Frau ins Tun holen“, sagt hingegen Schumacher. „Die Menschen brauchen Sicherheit und sollten zwar immer einen Schritt nach vorne machen können. Das muss aber im eigenen Tempo funktionieren“, ergänzt Schnaars.

„Die Frauenhäuser sind bundesweit überlaufen. Wir könnten locker 25 bis 50 Prozent mehr gebrauchen“, ist Ledig überzeugt. „Der Kreis sollte ein Frauenhaus haben“, ist er sich sicher. Es brauche die Begleitmöglichkeit, die es in dem Umfang in einer Schutzwohnung nicht gäbe. Was aus seiner Sicht gegen ein Frauenhaus spricht? „Das Geld“, sagt Ledig matt. Schumacher ist sich indes sicher, dass die Arbeit der vergangenen 20 Jahre für sich spricht. Ein großer Erfolgsfaktor sei dabei sicherlich die Arbeit mit Silke Schnaars, die betont, man könne sie jederzeit und so oft wie gewünscht ansprechen.

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren...

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner