Olaf Scholz hat die Vertrauensfrage noch gar nicht gestellt und der Bundestag ist folglich auch noch nicht aufgelöst. Dennoch hat der Wahlkampf für die für den 23. Februar geplante Bundestagswahl schon längst begonnen. Mit Heidi Reichinnek stellte sich die Co-Spitzenkandidatin der Partei „Die Linke“ in Delmenhorst vor. An ihrer Seite: Christian Suhr aus Hude, der als Direktkandidat für die Linke im Wahlkreis Delmenhorst/Oldenburg-Land/Wesermasch antritt.
Direktkandidat will Reichweite entwickeln
Große Chancen, am Ende auch im Bundestag zu landen, rechnet sich Suhr nicht aus. Das Direktmandat dürfte für ihn kaum zu erringen sein. Für die Landesliste kandidiert er nicht. „Ich halte hier die Fahne hoch“, beschreibt er seine Rolle im Wahlkampf. „Ich will hier Reichweite entwickeln. Ich will die AfD hier klein halten“, gibt er als Ziel aus.
Obwohl Spitzenkandidatin auf Bundesebene, ist auch für Heidi Reichinnek völlig offen, ob sie ihr Bundestagsmandat behalten kann. Sie tritt im Wahlkreis Osnabrück an – auch nicht gerade eine Hochburg der Linken. Deshalb muss sie hoffen, dass ihre Partei doch die Fünf-Prozent-Hürde überspringt oder die „Mission Silberlocke“ Erfolg hat.
Hoffnung auf drei Direktmandate
Mindestens drei Direktmandate sind nötig, damit eine Partei, die bundesweit weniger als fünf Prozent der Stimmen bekommt, trotzdem in den Bundestag einzieht. Die Linken Urgesteine Gregor Gysi, Dietmar Bartsch und Bodo Ramelow sollen ihre Wahlkreismandate gewinnen und damit den Verbleib der Partei im Parlament sichern. Heidi Reichinnek traut auch den Kandidatinnen in den Linken Hochburgen Berlin-Lichtenberg, Leipzig und Berlin-Mitte das Direktmandat zu. „Aber wir zielen natürlich auf die fünf Prozent“, sagt Reichinnek, seit Februar 2024 Co-Vorsitzende der Linken-Gruppe im Bundestag.
Themen, mit denen sie die Wählerschaft überzeugen will: Preise für Lebensmittel und Mieten, Renten, Steuern, Friedenspolitik. „Ich finde, wir sind die Steuersenkungspartei“, erklärt Reichinnek. Sie tritt dafür ein, die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel von sieben auf null Prozent zu senken. So steht es im Entwurf des Programms für die Bundestagswahl, das die Linken am 18. Januar verabschieden wollen. Einkommen bis 6.500 Euro im Monat sollen nach Willen der Linken entlastet, Einkommen darüber stärker mit Steuern belastet werden.
BSW als „Lifestyle-Projekt“
Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) bezeichnet Reichinnek als „Lifestyle-Projekt“. „Wir machen Sozialpolitik für alle. Wir schließen uns nicht der Sündenbockpolitik an“, grenzt sie die Linke vom BSW ab. „Ich finde auch unsere Friedenspolitik deutlich konsequenter“, sagt sie und begründet das unter anderem mit dem SPD-BSW-Koalitionsvertrag in Brandenburg, der den Ausbau eines Bundeswehrflugplatzes ermögliche. Im Wahlkampf habe das BSW sich noch anders positioniert.
Nicht nur im Wahlkampf setzt Heidi Reichinnek insbesondere auf Tik-Tok, um ihre Inhalte zu verbreiten. „Tik-Tok wächst extrem und da sind die Leute, die ich erreichen will“, erklärt sie. Mindestens ein Video pro Woche veröffentlicht sie. „Es können auch mal drei bis fünf sein, wenn wir einen Lauf haben“, erzählt sie. Dabei legt sie Wert auf Qualität. Ein bis vier Stunden Arbeit investieren sie und ihr Team in jeden Film.
Kinder- und Jugendpolitik liegt Reichinnek am Herzen. Bevor sie 2021 in den Bundestag einzog, war sie pädagogische Mitarbeiterin in der Jugendhilfe. Besonders groß sei die Freude, wenn ihr Jugendliche berichten, dass sie sich wegen ihrer Clips für Politik interessierten oder sogar angefangen hätten, sich zu engagieren.