Die Stimmung im Land wandelt sich, beobachtet die Initiative Nie Wieder – Erinnern für die Zukunft – Gemeinsam gegen Rechts. Diese ist Teil des Bündnisses für Demokratie – Kein Platz für Nazis in Worpswede und Umzu, und die Beteiligten haben konkrete Befürchtungen, wie sich die Gesellschaft entwickeln würde, wenn die AfD ihren Einfluss weiter steigern kann.
Das politische Dorf
Nicht nur die Kunst prägt das Dorf Worpswede, sondern auch die Politik. Dem Bündnis für Demokratie gehören insgesamt 80 lokale Initiativen, aber auch Vereine oder Unternehmen aus allen acht Ortschaften Worpswedes an.
Schon länger beobachten Mitglieder der Initiative Nie Wieder auch rechte Tendenzen in ihrem Heimatort: „Die Leute waren schon immer hier. Aber seit Corona und dem Ukrainekrieg treten sie offener auf“, berichtet eine Vertreterin der Initiative.
Umso mehr freut sie sich darüber, wie viele Akteure sich dem Bündnis für Demokratie angeschlossen haben. Einige Vereine oder Hotels hätten dafür sogar ihre Satzungen und allgemeinen Geschäftsbedingungen so geändert, dass sie Rechte nicht aufnehmen müssen. So habe aufgrund einer solchen Änderung ein NPD-Funktionär im gesamten Ort kein Hotelzimmer finden können, erzählt ein weiteres Mitglied der Initiative.
Zurück in die Siebzigerjahre?
Doch viel wichtiger als der Slogan „Nazis raus“ – diese Aussage sei sowieso stark verkürzt, sagen sie – sei der Kernkonsens des Bündnisses, dass Menschenrechte niemals verhandelbar sein dürfen. Dabei geht es der Initiative explizit nicht nur um Geflüchtete, sondern um gesamtgesellschaftliche Veränderungen:
„Es geht um ein Gesellschaftsbild der Siebzigerjahre, das da beschworen wird – das aber nicht wiederkommen wird. Die Frau am Herd, der Mann Alleinverdiener, Ausländerquote im kleinen Bereich, wer schwul lebte, der musste sich verstecken. Aber das ist nicht mehr zurückzuholen, in keinem Land der Welt.“
Das Gedenken an den Nationalsozialismus und die Inklusion behinderter Menschen seien nur zwei Bereiche, die unter dem politischen Einfluss der AfD mit massiven Kürzungen zu rechnen hätten.
Wachsende Schere zwischen Arm und Reich
Hinzu käme eine „Umverteilung von unten nach oben“, fürchten die Initiativenmitglieder. Wie das Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) im Januar errechnete, würde das allgemeine Armutsrisiko in Deutschland um 12,9 Prozent steigen, wenn das AfD-Wahlprogramm konsequent umgesetzt würde – mehr als bei jeder anderen Partei.
Auch kalkulierte das ZEW, welchen Brutto-Jahreseinkommen die Politik der AfD zugute käme. Das Ergebnis: Je höher das Einkommen, desto stärker die Entlastung durch ein AfD-Programm. „Das versuchen wir zu kommunizieren. Aber ankommen tut es, so glauben wir, ganz wenig.“
Spätestens im Kontext der anstehenden Bundestagswahl halten die Aktiven der Initiative dies für fatal: „Die Wahlentscheidungen hängen von Fantasien ab“, sagen sie – viele Wähler der AfD würden gar nicht oder nur kaum von einer konsequenten Umsetzung des Parteiprogramms profitieren. „Dabei geht es schon lange nicht mehr nur um Geflüchtete“, betont die Initiative.
Kritik: Ja, Sündenböcke: Nein
Dass Bürgerinnen und Bürger den politischen Status Quo kritisieren, finden die Mitglieder der Initiative legitim, und auch gegen politische Differenzen haben sie nichts einzuwenden. Doch zu rechten Positionen sehen sie einen entscheidenden Unterschied.
„Ich kann damit leben, wenn Menschen sagen, ‚Wir haben ein Problem mit Integration, mit Wohnraum, mit Gerechtigkeit in diesem Land.‘ Aber was ich nicht verstehen kann, ist, wenn man mit Hass und Hetze ganze Bevölkerungsgruppen zu Sündenböcken einer politischen Herausforderung macht.“ Die bedingungslose Achtung der Menschenrechte aller Menschen betrachten sie nicht als eine Frage der politischen Einstellung, sondern als eine des Prinzips.