Messie Nach Angaben der AOK gibt es in Bremen etwa 200 bis 300 Menschen, die ein „Messie-Syndrom“ aufweisen. Foto: pixabay
Selbsthilfe

Wenn Horten krank macht

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„Messie-Syndrom“ betrifft viele Menschen / In Bremen gibt es eine Selbsthilfegruppe.

Die Trauer nach dem Verlust seiner Oma führte bei Gerald Piepenburg dazu, dass er zum „Messie“ wurde. Damit ist er einer von vielen Betroffenen in Deutschland, die Schwierigkeiten haben, sich von wertvollen, weniger wertvollen und auch nutzlosen Gegenständen zu trennen.

Das „Messie-Syndrom“ ist eine umgangssprachliche Bezeichnung für pathologisches Horten. Dabei handelt es sich nicht um eine Angewohnheit, die sich durch Ermahnungen oder einzelne Aufräumaktionen in den Griff bekommen lässt. Vielmehr ist damit ein Krankheitsbild aus der Gruppe der Zwangsstörungen gemeint. „In Bremen gibt es etwa 200 bis 300 Menschen, die ein „Messie-Syndrom“ aufweisen, und das sind schon viele“, sagt Jörn Hons, Pressesprecher der AOK Bremen/Bremerhaven.

„Ich habe meine Oma verloren, als ich volljährig wurde. Für meine Schwester und für mich war sie unsere herzensgute Vertraute und unsere Fürsprecherin, gerade auch gegenüber unseren dominanten Eltern. Sie hat mich jahrelang begleitet und war ein sehr wichtiger Mensch für mich“, berichtet Piepenburg. In der Folge des „einschneidenden Erlebnisses“ begann der 59-Jährige vor über 40 Jahren mit dem Sammeln von Dingen.

Dinge werden immer mehr

Bis zum 25. Lebensjahr wohnte er bei seinen Eltern. Zu den anfangs wenigen Gegenständen kamen plötzlich immer mehr hinzu, die er dann hortete. Später ist er ausgezogen und hat eine Wohnung bei Verden auf dem Land gefunden. Er hatte sich zwei Seecontainer kommen lassen. Seine Eltern hätten ihn immer dazu angehalten, Dinge zu wertschätzen. „Ich habe angefangen, Sachen pathologisch zu horten, schließlich wurde ich zum ‚Messie‘.“

In Bremen gibt es laut der senatorischen Behörde für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz keine spezifische Beratungsstelle für Menschen mit „Messie-Syndrom“. „Betroffene können sich an den Sozialpsychiatrischen Dienst wenden. Auch Assistenz durch Eingliederungshilfe kann in Anspruch genommen werden“, sagt Kristin Viezens, Pressesprecherin der Senatorin für Gesundheit.

Eine Anlaufstelle für Betroffene ist aber „melano“ – das ist der Landesverband für Messies im norddeutschen Raum. Die Vorsitzende und Gründerin ist Janice Pinnow, die den Verein im Mai 2002 ins Leben gerufen hat. „Seit 25 Jahren berate ich Messie-Syndrom-Betroffene. Ich habe Schulungen durchgeführt und an Fortbildungen teilgenommen. Ich habe auch Vermieter und Gerichte beraten – deutschlandweit.“ Aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen berät sie Betroffene nur noch telefonisch, auch aus Bremen.

Generell berät „melano“ ehrenamtlich Betroffene, Angehörige, Sozialarbeiter, Betreuer sowie Kliniken. Der Landesverband hilft Betroffenen bei Behördengängen, in Betreuungs- und in Wohnungsangelegenheiten. Das Ziel ist, fundierte Informationen zum „Messie“-Syndrom zu liefern. Zudem will der Landesverband Betroffenen adäquate Hilfen zur Selbsthilfe zur Verfügung stellen.

Hilfe zur Selbsthilfe

Als eine der Ursachen für das Messie-Syndrom sieht Pinnow Entwicklungstraumastörungen aus den ersten Lebensjahren, die unbewusst angelegt und nicht erinnerbar sind. Das seien die Ursprünge – wie bei fast allen psychischen Erkrankungen. „Das Messie-Syndrom ist keine Aufräumstörung. Viel mehr geht es um einen Überlebensmechanismus, der einhergeht mit Depressionen, Ängsten, Süchten und Zwängen“, erklärt Pinnow.

Janice Pinnow wünscht sich, dass Betroffene bei der Thematik mehr mit einbezogen werden und sie dahingehend unterstützt werden, dass sie ihre eigenen Persönlichkeit wahrnehmen. „Viele befinden sich in einer Opferrolle und übernehmen keine Verantwortung. Ich wünsche mir, dass sie lernen, besser ihre Gefühle wahrzunehmen und Verantwortung übernehmen.“

Gerald Piepenburg ist der Ansprechpartner der Selbsthilfegruppe „Messie“ in Bremen. Für eine Kontaktaufnahme mit der Gruppe ist eine Anmeldung bei Gerald Piepenburg beziehungsweise beim Netzwerk Selbsthilfe erforderlich

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