Präses André Grobien (links) und Hauptgeschäftsführer Matthias Fonger forderten eine stärkere Wachstumsorientierung bei Investitionen aus Sondervermögen. Foto: Lürssen
Bilanz Handelskammer

Industrie hübscht Bilanz ordentlich auf

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Während die Wirtschaft bundesweit stagniert, wuchs sie im Land Bremen im ersten Halbjahr um 2,9 Prozent.

Ein Wirtschaftswachstum im Land Bremen, das nach ersten Berechnungen im ersten Halbjahr 2025 2,9 Prozentpunkte über dem Bundesdurchschnitt liegt, sollte eigentlich ein Grund zur Freude sein. Doch von Sektkorken keine Spur. Die Handelskammer Bremen ordnet die Zahl in ihrer Jahresbilanz eher nüchtern ein. Als Stimmungsbremse wirken die ungelösten strukturellen Probleme insgesamt sowie die Unzufriedenheit über die geplante Verwendung der Mittel aus dem Sondervermögen des Bundes.

„Die breit aufgestellte norddeutsche Wirtschaft zeigt sich aktuell etwas robuster als die deutsche Wirtschaft insgesamt. Der Norden erweist sich als resilienter Standort mit Zugang zu erneuerbaren Energien, ein entscheidender Wettbewerbsvorteil für die Ansiedlung energieintensiver Industrien. Unser Bundesland kann von dieser Entwicklung profitieren, wenn die Chancen konsequent genutzt werden“, sagt André Grobien, Präses der Handelskammer Bremen.

Industrie als Wachstumstreiber

Das Bremer Wirtschaftswachstum ist laut Handelskammer insbesondere auf ein kräftiges Umsatzplus (+22,2 Prozent im ersten Halbjahr) in der bremischen Industrie zurückzuführen. Allerdings habe sich diese Entwicklung mit einem Wachstum von nur noch 5,6 Prozent im dritten Quartal bereits abgeschwächt. Die positiven Zahlen der Industrie überdecken offenbar die Schwächen an anderer Stelle.

„Einerseits gibt es Zahlen, die auf eine bessere Entwicklung in Bremen hindeuten. Andererseits ist die Stimmung in der bremischen Wirtschaft laut den regelmäßigen Konjunkturumfragen der Handelskammer weiterhin deutlich eingetrübt. Alles in allem rechnen wir derzeit nicht damit, dass sich das positive Ergebnis zum Wirtschaftswachstum für die erste Jahreshälfte im zweiten Halbjahr fortsetzt. Dafür sind die Rückmeldungen, die wir aus der bremischen Wirtschaft erhalten, zu negativ“, erklärt Matthias Fonger, Hauptgeschäftsführer der Handelskammer.

Rahmenbedingungen kritisch prüfen

„Wir müssen kritisch hinterfragen, ob die Rahmenbedingungen stimmen“, meint Grobien und verweist auf eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), wonach Deutschland mit einem Anteil von 41 Prozent Sozialausgaben europaweit an der Spitze liegt, und überproportional steigende Verwaltungsausgaben bei gleichzeitig niedriger Investitionsquote. Für ein wachstumsfreundlicheres Klima nennt er drei Schlagworte: Bürokratieabbau, schnellere Genehmigungsverfahren und Energiesicherheit.

Vom Sondervermögen des Bundes erhoffen sich die Bremer Wirtschaftsvertreter zwar weiterhin den notwendigen Anschub für die Konjunktur. Die bisher vorgestellten Maßnahmen überzeugen sie jedoch weder auf Landes- noch auf Bundesebene. „Deutschland steht im dritten Jahr ohne Wachstum. Die zusätzlichen Mittel aus dem Sondervermögen des Bundes bieten die Chance, endlich in die Zukunftsfähigkeit unseres Standorts zu investieren. Diese Chance wird in Bremen nicht ausreichend genutzt“, sagt Grobien.

Zu viele Maßnahmen ohne positiven wirtschaftlichen Effekt

Nur wenige der geplanten Maßnahmen erfüllten den Anspruch, langfristig das Wachstum zu fördern, so der Präses. Als Positiv-Beispiele nennt er die Kajensanierung in Bremerhaven, die Planung für den Neubau der Bürgermeister-Smidt-Brücke und Planungsmittel für die Airport-Stadt Süd. Grundsätzlich geht er mit dem in der vergangenen Woche vom Senat vorgestellten Sofortprogramm mit 112 Einzelprojekten und einem Gesamtvolumen von 354 Millionen Euro hart ins Gericht: „Das Programm besteht aus einem zumeist kleinteiligen Sammelsurium von Maßnahmen, die Zeugnis von finanzpolitischen Versäumnissen aus der Vergangenheit sind. Die meisten dort gelisteten Vorhaben stellen Aufgaben des Staates dar, die im Rahmen des regulären Haushalts zu finanzieren wären. Von zusätzlichen Investitionen mit langfristig wachstumsförderndem Effekt kann kaum die Rede sein“, kritisiert er.

Dabei sei Wachstumsförderung unbedingt notwendig, betont Fonger. Schließlich würden die Sondervermögen über neue Schulden finanziert. Die könnten nur zurückbezahlt werden, wenn die Wirtschaft wachse und so zusätzliche Einnahmen in die Staatskasse gingen. 

 

 

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