Für eine Probefahrt vom Worpsweder Bahnhof bis Neu Helgoland spannte Hermann Cronjäger seine Pferde Freitagnachmittag vor seine Postkutsche. Foto: Möller Für eine Probefahrt vom Worpsweder Bahnhof bis Neu Helgoland spannte Hermann Cronjäger seine Pferde Freitagnachmittag vor seine Postkutsche. Foto: Möller
Kutschenmuseum

Erinnerungen an den Hafermotor werden wieder wach

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Hermann Cronjäger setzt auf eine aus der Mode gekommene, aber sehr umweltfreundliche Bewegungsart: Angetrieben vom Vier-PS-Hafermotor zog sein Gespann Freitag vom Worpsweder Bahnhof bis zum Hammehafen bei Neu Helgoland.

„Postkutschen dienten zuletzt noch für Zubringerdienste“, sagt Hermann Cronjäger. Als Paula Modersohn-Becker nach Paris reiste, fuhr sie per Hafermotor bis zum Bremer Hauptbahnhof und stieg dort in den Zug um. Cronjäger hat sein seltenes Exemplar einer Postkutsche vor 35 Jahren ebenfalls  im Künstlerdorf gefunden. Dort hatte sie ein Bäcker noch in den 30er Jahren als Lieferfahrzeug genutzt. Komplett restauriert ist das um 1880 in der Hamburger Wagenfabrik Ehlers gebaute Fuhrwerk im Niedersächsichen Kutschenmuseum in Trupe zu besichtigen. Wenn Hermann Cronjäger nicht gerade seine Hannoveraner Pferde angespannt hat und den gelben Wagen durch die Lande ziehen lässt, so geschehen am Freitag­nachmittag.

Cronjäger ist auch Vorsitzender des Vereins, der seit 1977 das Museum in Lilienthal, Trupe 10, betreibt. Dort sind 35 Fahrzeuge zu bestaunen, die alle noch fahrbereit sind. Es gibt sogar fünf Schlitten und natürlich etliches Zubehör. Die Palette der ausgestellten Objekte reicht vom Ackerwagen bis zur vornehmen Stadtkutsche: Kalesche, Victoria, Coupe, Landauer; auch einachsige Gigs, Dogcarts und Ponycarts können die Besucher in Augenschein nehmen und anfassen.

Hafermotor wird im Museum gepflegt

Besichtigungen im Kutschenmuseum werden von den Mitgliedern des Vereins gern und fachkundig geführt. Es ist aber auch möglich, anhand der guten Beschriftung selbstständig durch das Museum zu wandern und je nach Interesse länger oder kürzer zu verweilen.

Hermann Cronjäger pflegt das Kulturgut „Kutsche“ und lenkt dabei gerne seine historische Postkutsche.Foto: Möller

Hermann Cronjäger pflegt das Kulturgut „Kutsche“ und lenkt dabei gerne seine historische Postkutsche. Foto: Möller

Es sieht so einfach aus, Hermann Cronjäger bildet auch Fahrer aus. Dazu gehört auch eine Fülle an theoretischem Wissen um Geschirr und Wagenkonstruktion, es geht um die korrekte Pflege der Kutsche und selbstverständlich um die Etikette. Wenn Hermann Cronjäger ins Plaudern kommt, fragt er sein Gegenüber gerne, ob man weiß, woher die Redensart, „man fühlt sich wie gerädert“ stammt. Das sei natürlich ein Relikt der Kutschenzeit und zwar der frühen, erst 1850 wurde für die Pferdewagen die Federung erfunden. Die letzte Postkutsche stellte in Deutschland erst im Jahr 1938 ihren Betrieb ein. Früher gab es in jeder Poststation, die immer auch Gaststätte war, ein Beschwerdebuch. Darin konnten die Fahrgäste ihrem Ärger über den Kutscher Luft machen. „So ein Exemplar habe ich lange fürs Museum gesucht, aber es scheint so, als ob die allesamt verschwunden sind“, schmunzelt Cronjäger.

Bis 2004 noch im Straßenbild von Bremen

Der Ein-PS-Antrieb auf vier Hufen, der sich mit Hafer zufrieden gibt, ist von unseren Straßen weitestgehend verschwunden. Bis in die 60er Jahre waren Pferdegespanne noch als ganz reguläres Verkehrsmittel unterwegs, in Bremen sogar bis zum Jahr 2004 für die Brauerei Beck & Co bei der innerstädtischen Auslieferung von Bierfässern im täglichen Einsatz. Vielleicht sieht man heute noch Hochzeitskutschen, die auf dem Weg zum Standesamt für nostalgische Stimmung sorgen.

Im Kutschenmuseum betrachtet man die Pflege der Fahrzeuge und auch das Bewegen derselben als wichtiges Brauchtum. „Früher gehörte es zur Allgemeinbildung, zu wissen, wie man ein Pferd anschirrt“, sagt Cronjäger. Pferde wurden auf dem Feld eingesetzt.

Das Kutschenmuseum in Lilienthal, Trupe 10, öffnet zum Internationalen Museumstag am Sonntag, 22. Mai, ab 11 Uhr. Nähere Infos gibt es im Internet unter www.niedersaechsisches-Kutschenmuseum.de

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