Gerd Borcherding arbeitet seit sieben Jahren daran, den alten Pferdebahnwagen wieder herzustellen Foto: Schlie Gerd Borcherding arbeitet seit sieben Jahren daran, den alten Pferdebahnwagen wieder herzustellen. Foto: Schlie
Verkehrsgeschichte

So sieht Bremens ältestes Fahrzeug aus

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128 Jahre alt ist der Pferdebahnwagen, den Gerd Borcherding seit Jahren restauriert. Gelingt ihm die mühsame Arbeit, wird der Wagen wieder rollen - und niemand mehr glauben, wofür das Fahrzeug jahrelang benutzt wurde.

„Das ist wahrscheinlich der letzte, der überhaupt noch existiert“, sagt Gerd Borcherding, zweiter Vorsitzender der Freunde der Bremer Straßenbahn. In der Halle auf dem Betriebsgelände der Bremer Straßenbahn AG steht der Pferdebahnwagen direkt hinter dem 1904 gebauten Triebwagen 134, der schon längst dank liebevoller Restaurierung glänzt.

Seit 2009 arbeitet Borcherding dort an „seinem“ Pferdebahnwagen – jedenfalls immer dann, wenn die anderen Bahnen des Vereinsfuhrparks ihn nicht brauchen. Sie sind es schließlich, die mit ihren historischen Fahrten den Fortbestand des Vereins sichern.

Pferdebahnwagen stand lange im Kleingarten

So weit ist der Pferdewagen noch nicht. „Dass der mal irgendwann rauskommt, als Hingucker“, das wünscht sich Borcherding aber. Schließlich musste er lange um den Schatz kämpfen. Zwei Jahre Überredungsarbeit waren nötig, bis er ihn endlich aus einem Waller Kleingarten heben durfte.

Dort hatte er jahrelang als Parzellenhäuschen gedient – und sah dementsprechend aus. Der Vorbesitzer hatte die Holzverkleidung und Fenster übermalt, die Sitzbänke herausgerissen und die für alte Pferdebahnen und später auch Straßenbahnen so typische Außenplattform entfernt. „Außerdem lag da ein halber Meter Efeu drauf“, erinnert sich der gelernte Fernmeldemonteur.

Bahn fuhr zur Jahrhundertwende

Borcherding sah trotzdem eine Schönheit in dem heruntergekommenen Holzverschlag. „Er soll wieder so schnuckelig aussehen wie auf den alten Fotos“, sagt er. Die gab es im Archiv der Straßenbahnfreunde schon vorher und sie sind dem 61-Jährigen eine große Hilfe, wenn es darum geht, die Bahn wieder möglichst detailgetreu in ihren Urzustand zu versetzen.

 

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Noch sieht der Wagen so aus

Vor der Jahrhundertwende verkehrte der Wagen zwischen Horn und Rathaus – angetrieben von nur einem Pferd. „Es gibt kein älteres Auto und keine ältere Kutsche in Bremen. Das hat man mir beim Focke-Museum gesagt“, erzählt Borcherding. Vier Jahre nach dem Bau des Pferdebahnwagens fuhr die erste elektrische Straßenbahn in Bremen.

Ein-Mann-Projekt mit eigenen Gesetzen

Die Restaurierung des historischen Fahrzeugs ist ein Ein-Mann-Projekt. „Ich mache das allein, weil ich mir eigene Gesetze gemacht habe. Alles, was man erhalten kann, will ich auch benutzen“, erklärt er. „So wie in der Frauenkirche in Dresden, wo man auch sieht, was noch original und was nachgebaut ist.“

In mühsamer Kleinarbeit hat Borcherding den vom Kleingärtner aufgetragenen Lack entfernt. Die kleinen Dachfenster hat er mit einem Skalpell von der Farbe befreit und neue Bleche für die Außenverkleidung anfertigen lassen. Die alten waren vom Rost zerfressen.

Sogar in Dänemark wird recherchiert

Herauszufinden, wie früher Details wie zum Beispiel die Lampenkästen für die Petroleumlampen oder die Innenwandverzierung ausgesehen haben – das ist echte Detektivarbeit. „Fast wie Archäologie“, sagt Borcherding lachend.

Gerade hat er dänische Straßenbahnfreunde damit beauftragt, herauszufinden, wie im Jugendstil Gardinenstangen ausgesehen haben. Denn auch sie sollen den Pferdebahnwagen zieren.

2018 jährt sich Baujahr zum 130. Mal

Ein bisschen mehr als die Deko fehlt allerdings schon noch. Mit Herzklopfen denkt Borcherding an den Moment, in dem der Pferdebahnwagen zum ersten Mal auf seine Räder gestellt wird. „Dann hoffe ich, dass ich mich nicht verrechnet habe.“

Wie lange es noch dauert, bis das rollende Schmuckstück fertig ist, darauf mag Gerd Borcherding sich nicht festlegen. 2018 jährt sich das Baujahr des Wagens aber zum 130. Mal – und das hat bestimmt auch der 61-Jährige vor Augen.

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