Acht Uhr morgens: Die Kinder rennen herbei, um in der Kindertagesstätte (Kita) mit ihren Freunden zu toben. Währenddessen müssen andere Kinder zu Hause sitzen, da sie aufgrund von Personalmangel nicht mehr in die Kita gehen dürfen.
„Im Moment sind nicht alle Stellen besetzt, die besetzt werden könnten“, erklärt Stuhrs Bürgermeister Niels Thomsen. Per Brief hat die Gemeinde die Stuhrer Eltern darüber informiert, dass eine Reduzierung des Betreuungsangebots möglich sei. „Wir können keine Vertretung gewährleisten, aber wir wollen mit offenen Karten spielen“, betont Thomsen. Nach Hause sollen Kinder jedoch nicht geschickt werden.
Acht Kinder nach Hause geschickt
Sandra Buchholz aus Stuhr hat eine andere Erfahrung gemacht: „Man hat uns einfach rausgeschmissen.“ Ihr vierjähriger Sohn hat einen Platz in der Kita Brinkum-Marsstraße. Zwei Wochen nach Beginn des Kindergartenjahrs im August schickte die Einrichtung acht Kinder der Nachmittagsgruppe wieder nach Hause.
Die Kinder, die nächstes Jahr eingeschult werden oder deren Eltern arbeiten, durften bleiben. Die Leitung der Kita Marsstraße war für eine Auskunft nicht zu erreichen.
Zuvor wurden zwei Erzieher in die Vormittagsgruppe abgezogen, da dort bereits Mangel herrschte.
Viele Kinder, wenig Erzieher
„Es werden momentan wahnsinnig viele Erzieher gebraucht“, beschreibt Thomsen die Lage. „Immer mehr Kinder werden betreut, doch auf dem Arbeitsmarkt gibt es nicht genügend Personal.“ Zusätzlich kämen Grippewellen, Krankheitsausfälle, Schwangerschaften und Kündigungen hinzu.
Seit Mai führte die Gemeinde Stuhr über 40 Bewerbungsgespräche. Die Eltern wissen trotzdem nicht, wann ihr Kind wieder in die Kita darf.
Keine Alternativen
„Mit dem Schreiben hält man uns hin“, kritisiert Buchholz. Vor zwei Monaten hieß es, Anfang Oktober könnten die Kinder wieder kommen, sagt die Mutter. Doch das hat sich nun verschoben.
„Außer einer mündlichen Zusage habe ich nichts“, sagt Mona Sarezki. Ihr dreijähriger Sohn wurde ebenfalls nach Hause geschickt. „Niemand sagt einem, wann man den Platz bekommt.“
Alternativen gebe es nicht. „Uns Eltern wurde gar nichts angeboten“, sagt Nadine Thomanek. „Es gibt keine Ausweichplätze, keine Tagesmütter, nichts.“ Erschwerend kommt hinzu, dass die Tagespflegeplätze der Gemeinde alle belegt sind (wir berichteten).
Personalmangel auch in anderen Kitas
„Andere Kitas wollen trotz freier Plätze unsere Kinder nicht übernehmen“, beschreibt Buchholz ihre Erfahrungen. Sie hat bereits versucht, ihren Sohn in einer anderen Einrichtung unterzubringen. Doch diese hätten ebenfalls die Befürchtung, dass der Personalmangel sie treffen könnte, berichtet Buchholz. Zudem ist ihr Sohn immer noch in der Marsstraße eingeschrieben.
„Die Situation ist in ganz Stuhr so“, sagt Jessica Meyer, deren Kind momentan ebenfalls zu Hause sitzt. Sollte dies sich nicht ändern, will die Elternvertreterin selbst eine Alternative anbieten. „Ich möchte die Mütter organisieren, dass unsere Kinder zusammenkommen.“
Sarezki hat sich derweil vorgenommen, den Kita-Platz zu kündigen und ihren Sohn in einer anderen Einrichtung unterzubringen, sollte sich bis Ende November nichts ändern.
Eine langfristige Lösung kann allerdings nur mehr Personal bieten. „Wir möchten den Beruf Erzieher attraktiver anbieten, damit mehr junge Menschen die Ausbildung machen“, sagt Thomsen.