Missbrauchsopfer ohne Vormund

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Die ehemalige ZAST in Habenhausen. Foto: Schlie

Trotz der Brisanz des mutmaßlichen Vergewaltigungsfalls unter jungen Flüchtlingen in Bremen-Habenhausen, sollen die Ermittlungen holprig angelaufen sein. Sozialbehörde und Polizei geben sich dafür gegenseitig die Schuld.

Nachdem der sexuelle Missbrauch an einem 15-Jährigen in der ehemaligen ZAST in Habenhausen bekannt geworden war (wir berichteten), soll es zu einer Panne in der Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitern der Sozialbehörde und den Ermittlern gekommen sein. Aus Polizei-Kreisen erfuhr der WESER REPORT, dass der Vormund des Jugendlichen erst nicht zu erreichen und dann gar nicht existent gewesen sein soll.

Demnach sei das 15-jährige Opfer nach der Tat am Sonntagvormittag, 14. Juni, zur medizinischen Versorgung in ein Krankenhaus gebracht worden – unter anderem auch, um die Spuren des Verbrechens zu sichern. Anschließend begannen die Probleme.

„Vormund war nicht zu erreichen“

Einem Polizei-Insider zufolge soll der behandelnde Arzt den Jungen für vernehmungsfähig erklärt haben. Dennoch fand eine Vernehmung zunächst nicht statt, weil dafür bei einem 15-Jährigen das Einverständnis des Vormundes einzuholen ist.

„Der war aber nicht zu erreichen“, so der Polizei-Gewährsmann, der nicht namentlich genannt werden möchte. Vielmehr habe der Kinder- und Jugendnotdienst versucht, die Beamten auf den folgenden Montag, 15. Juni, 8 Uhr, zu vertrösten. Eine „Frechheit“, wie Willhelm Hinners, innenpolitischer Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion findet: „Dass die Sozialbehörde bei einem so schwerwiegenden Fall nicht in der Lage war, sofort zu reagieren, sondern auf den Folgetag verweist, wirft ein ganz schlechtes Licht auf deren Organisation.“

Ermittler vernahmen ohne Einverständnis eines Vormunds

Die Ermittler ließen sich nicht vertrösten und wollen auf weitere Nachfrage erfahren haben, dass der betreffende Jugendliche noch überhaupt keinen Amtsvormund habe. Aus der Sozialbehörde erfuhr der WESER REPORT vertraulich, dass es in der Regel Monate dauere, bis unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge einen Amtsvormund vom Familiengericht zugewiesen bekommen. Bis zu diesem Zeitpunkt könnten beispielsweise Casemanager aus dem Sozialzentrum Vier eine Quasi-Vormundschaft übernehmen.

Aufgrund der Dringlichkeit des Falls entschieden die Ermittler, das Opfer ohne weiteres Warten zu vernehmen. Frank Passade, Sprecher der Staatsanwaltschaft, bestätigt den Vorfall: „Es hat am betreffenden Wochenende in der Tat Probleme gegeben, den Amtsvormund zu erreichen.“

„Es hätte nicht zu den Verzögerungen kommen müssen.“

Passade relativiert jedoch: „Bei einem 15-Jährigen, der klaren Verstandes ist, müssen Eltern oder ein Vormund nicht zwingend ihre Zustimmung zu einer Vernehmung geben. Umgangssprachlich ausgedrückt wäre das die Kür, aber nicht die Pflicht. In einem etwaigen Prozess dürfte es keine Probleme geben, Aussagen des Jugendlichen zu verwerten.“

Dr. Bernd Schneider, Sprecher des Sozialressorts, erzählt eine andere Version der Geschichte. Demnach habe man die Polizei bereits am Samstag über den Vorfall in der Steinsetzerstraße 12 informiert und empfohlen, sich eine Erlaubnis für die Vernehmung über das Familiengericht zu besorgen. „Es hätte nicht zu den Verzögerungen kommen müssen. Warum die Vernehmung dann doch erst am Sonntag stattgefunden hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Das Ermittlungsverfahren wurde meines Wissens nicht beeinträchtigt“, so Schneider.

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