Carsten Sieling (l.) mit Dieter Reinken (Foto: Schlie) |
Die SPD hat am Dienstagabend ihren neuen Bürgermeister gekürt: Auf dem Landesparteitag wurde Carsten Sieling mit 96,8 Prozent als Kandidat für das Amt des Präsidenten des Senats gewählt. Lesen Sie die Ereignisse im Minutenprotokoll.
21:40 Uhr: Die Ansätze einer Aussprache
Die Wortbeiträge werden zunehmend kritischer. Bemängelt wird die geringe Zustimmung der Bürger zur SPD in vielen Kompetenzbereichen. Das Stichwort „Pisa Schlusslicht“ fällt, die hohe Kriminalität bemängelt. Klar wird: Sieling hat – mit seinem überragenden Ergebnis – die Unterstützung der Genossinnen und Genossen. Aber es rumort trotzdem in der Partei.
21:20 Uhr: Das Eckpunktepapier für die Koalitionsverhandlungen
Die Spannung löst sich. Dieter Reinken betritt wieder das Rednerpult, nachdem Carsten Sieling die Wahl angenommen hat. Es geht nun um das Eckpunktepapier, mit dem die SPD in die Koalitionsverhandlungen mit den Grünen gehen möchte. Trotz der kräftigen Lautsprecheranlage ist das Gemurmel im Saal immer doch deutlich zu hören.
Jetzt beginnen die Wortbeiträge zum Eckpunktepapier. Es geht zunächst um das neue Baugebiet in Brokhuchting. Dann kommt der Ortsverein Gröpelingen mit einem Strauß an Anträgen, etwa zur Kinderbetreuung. Und wieder gehts weiter: Ob der Wirtschaftsteil seines Programms nicht überdimensioniert sei, fragt ein Vertreter der Jusos Carsten Sieling. Dann tritt er für die Reform des Schulsystems ein. Und es gibt Schelte von einzelnen Genossen, etwa zum müden Wahlkampf der SPD. Oder die Förderung Bremerhavens. Das Interesse der Genossen an dem Papier ist vielfältig.
21:14 Uhr: „Wir haben ausgezählt“ – 184 Ja-Stimmen
190 Stimmen sind abgeben worden, 184 haben mit Ja gestimmt, sprich: Carsten Sieling soll neuer Bürgermeister werden. Der Saal tobt und jubelt und klatscht. Zwei Enthaltungen gab es, vier Nein Stimmen. Musik wird eingespielt, für einige Minuten herrscht ausgelassene Stimmung.
21:09 Uhr: Stimmzettel abgegeben, die Auszählung läuft
Jetzt haben die Genossen ihre Wahl getroffen: Die Stimmzettel sind abgegeben. Die Reaktionen sind übrigens, das ist in dieser kleinen Pause zu hören, recht unterschiedlich: Einige glauben an den Neuanfang, andere meinen, so richtig erneuert habe sich die SPD in Bremen noch nicht. Und wieder andere sagen: Das Rad könne man ohnehin nicht neu erfinden, bei der klammen Finanzlage Bremens.
20:51 Uhr: In einer Reihe mit Böhrnsen und Kaisen
Carsten Sieling im Bürgerhaus auf dem Parteitag (Foto: pv) |
„Ich weiß, was das für große Schuhe sind“, sagt Sieling und zählt seine Vorgänger als Bürgermeister von Wilhelm Kaisen an auf. Er wolle in ihre Schuhe treten. „Ich wäre froh und stolz, wenn ihr mich heute wählen würdet – in dieser Freien Hansestadt Bremen, liebe Genossen“, fügt er hinzu – und korrigiert damit seinen Versprecher von Beginn der Rede. Donnernder Applaus zeigt, dass die Genossen zufrieden mit seiner Rede zu sein scheinen.
20:48 Uhr: Die Grünen mogen ihr „Hickhack“ beenden
Spannend sei der Abend nicht nur hier, meint Sieling. Spannend sei es auch auf dem parallel laufenden Parteitag der Grünen. „Ich setzte darauf, dass die sich vernünftig verständigen und ihr personelles Hickhack beenden. 75 Prozent derer, die uns Sozialdemokraten gewählt haben, erwarten, dass wir Rot-Grün fortsetzen. Ziel sei die Fortsetzung der Koalition. „Wir fangen übermorgen an zu verhandeln, für ein gutes Programm.“
20:47 Uhr: Rauf mit der Erbschaftssteuer
„Ich möchte mehr Gerechtigkeit in der Steuerpolitik“, sagt Sieling etwas allgemein, fügt aber hinzu: „Wir brauchen eine verfassungskonforme Erbschaftssteuer.“ Unternehmen wolle man nicht abwürgen, aber dafür sorgen, dass das Gemeinwesen etwas davon habe, wenn Millionen und Milliarden vererbt werden. Außerdem werde er das Freihandelsabkommen im Blick behalten. „Bremen ist Buten und Binnen. Wir sind nicht nur Binnen. Aber wir haben auch eine verdammte Pflicht, diese alten bremischen Traditionen anzufassen, und sage Buten, Buten, Buten.“
20:40 Uhr: Bei den Finanzen kämpft Jeder gegen Jeden
Bei den Verhandlungen um Finanzaustattung und Schuldenbremse kämpfe nach wie vor jeder gegen jeden, sagt Sieling über die Debatten um Finanzen und die Schuldenbremse der Bundesländer. „Es gibt immer noch Störmanöver aus dem Süden.“ Dies gehe soweit, dass die Kanzlerin ihr Wort nicht halte, habe sie doch gesagt, der Solidaritätszuschlag bleibe. Jetzt gebe es harte Angriffe auf den Soli. Sieling wendet sich an Rudolf Hickel, auch im Saal, dieser habe einen mit Vorschlag entwickelt, Schulden zu begrenzen, doch dieser liege auf Eis.
20:39 Uhr: Und was gibts noch?
Wenns um die Wissenschaftspolitik geht, verweist Sieling auf das SPD-Wahlprogramm. Ebenso bei „moderner Wirtschaft“, „Kreativwirtschaft“, Kulturpolitik oder Umweltpolitik. Sieling ist klar und deutlich: Er nennt die Punkte, aber nur den Themen, die er als Schwerpunkte seiner Arbeit sieht, widmet er sich in seiner Rede.
20:35 Uhr: Vertiefung der Außen- und Unterweser
Carsten Sieling lobt Bremen als fünftgrößten Wirtschaftsstandort, und er verweist auf die jüngste EU-Statistik, die Bremen als wirtschaftsstarke Region sieht. Es folgt das Bekenntnis zur Autobahn 281. Und: „Wir brauchen einen längerfristigen Blick auf die Gewerbeflächenplanung. Zentral bleiben für uns die Häfen, an einer Stelle, wo wir sie brauchen und ertüchtigen müssen. Wir brauchen die Außenweser- und die Unterweser-Vertiefung.“ Wieder gibts Applaus, wieder etwas verhalten, wohlgemerkt.
20:30 Uhr: Die Bebauung der Feldmark
Carsten Sieling lässt keine Zweifel daran, dass er neue Gebiete für den Wohnungsbau ausweisen möchte, und dabei ausdrücklich die Randbereiche der Osterholzer Feldmark. Dort gebe es bereits die nötige Infrastruktur, auch sei die Straßenbahn verlängert werden. „Ich weiß, dass meine Genossen in Osterholz da verärgert drüber sind.“ Das tue ihm leid, es war nicht abgesprochen. Aber er habe klar sagen wollen, was er erreichen will, wenn er antritt. Und deshalb: „Ich glaube, am Ende wird es Osterholz stärken.“ Es gibt Applaus, aber der ist etwas verhaltener als vorher.
20:27 Uhr: Das Leitbild der wachsenden Stadt
„Mein Leitbild ist die wachsende Stadt“, sagt Carsten Sieling. Damit greift er ein politisches Motto auf, dass er schon nach seiner Nominierung durch den landesvorstand ausgab. Das Leitbild kommt auch bei der Handleskammer gut an. Politisches Motto war die „wachsende Stadt“ übrigens bereits in Hamburg – ausgerechnet von einem CDU-geführten Senat.
20:18 Uhr: Jetzt kommt die Bildung dran: Kita- und Schule
„Wenn Ihr mich nominiert, dann wählt Ihr auch eine Konsequnez: Ich möchte das wir den Kinder- und den Bildungsbereich bei einer Senatorin zusammenlegen“, streicht Sieling heraus, und der Saal quittiert es mit Applaus. Das ist sein Plan: Kita aus dem Sozialressort herauslösen und an die Bildung anschließen. „Wir müssen Brüche vermeiden. Da ist schon viel passiert, aber da ist noch viel, viel mehr möglich.“ Die Zusammenlegung würde er gern mit einer Aufwertung verbinden. Die Lehrer könnten von den Erziehern manches lernen.
Die Frage, wie viele Lehrer, schneidet Sieling dann an. Auf die Zahl 200 neue Lehrer will er sich nicht fest legen. Stattdessen spricht er von besseren Strukturen, die geschaffen werden müssten und von der Reduzierung des Unterrichtsausfalls.“Es fehlt nicht nur an Lehrerinnen und Lehrern, es braucht eine gute Organisation mit Eigenverantwortung.“
20:12 Uhr: Bremen steht bei Arbeitslosigkeit nicht gut da
Sieling widmet sich dem Arbeitsmarkt. Er verweist auf die aktuellen Zahlen, nachdem bundesweit die Arbeitslosigkeit sinke, in Bremen aber nur kaum zurück gehe. Das dürfe nicht sein. „Wir müssen da weiter machen, gerade für die jungen Menschen unseres Landes.“ Deshalb sei es auch ein Auftrag, weiter aktive Wirtschaftspolitik zu betreiben. Ziel müsse sein, den Menschen einen Arbeitsplatz im ersten Arbeitsmarkt zu geben. „Das ist aber auch Aufgabe der Unternehmen. Das kann nicht allein der Staats lösen“, sagt er an die Vertreter der Handelskammer. Doch ohne den „sozialen Arbeitsmarkt“ gehts auch nicht, so Sieling. Da dürfe es keinen „Stopp“ geben. „Das müssen wir machen, wir sind doch die SPD.“
20:05 Uhr: Die niedrige Wahlbeteiligung und die Mobilisierung
Natürlich kommt der künftige Bürgermeister nicht am Problem der niedrigen Wahlbeteiligung vorbei. Dem muss sich auch Sieling widmen. „Wirklich Probleme müssen auch wirklich gelöst werden“, sagt er, denn mit niedriger Wahlbeteiligung würden auch nur die Ränder gestärkt. Von den Extremen geht es weiter zum Erhalt der bremischen Selbstständigkeit. Eine „effiziente Mittelverwendung“ sei in Bremen unabdingbar, damit die Unterstützung des Bundes auch weiterhin gewährt ist. Aber: „Wir haben einen Haushalt von über vier Milliarden Euro, da gibt es Gestaltungsmöglichkeiten.“ Bei Arbeit, bei Wohnen und bei Wachsender Stadt wolle er Schwerpunkte setzen. Sonst könne man keine soziale Gerechtigkeit in diesem Gemeinwesen kriegen – und soziale Gerechtigkeit, hier setzt donnernder Applaus ein, sei sein Kompass in der Politik.
19:57 Uhr: Sieling gibt sich kämpferisch-sozial
Sieling lobt das Landes-Mindestlohngesetz und erklärt, dass es genügend sozialen Wohnraum geben müsse. Er habe sich sehr gefreut, dass der Hauptgeschäftsführer der Handelskammer gesagt habe, dass die Gewoba eine führende Rolle im Wohnungsbau übernehmen solle, zitiert Sieling den Weser Report. Dann begrüßt er ausdrücklich Klaus Wedemeier, der auch im Saal sitzt, und Handelskammer-Präses Christoph Weiß. Geschickt: Er baut eine Brücke zur Wirtschaft und zu seinem Vor-Vorgänger im Amt.
19:52 Uhr: Sieling und der Bürgermeister von Hamburg
Unter Applaus betritt der neue Kandidat für das Bürgermeisteramt die Bühne. Gleich am Anfang rutscht ihm ein kleiner Versprecher hinein: „Als Präsident der Freien Hansestadt“, setzt Carsten Sieling an, dann rutsch ihm ein „Hamburg“ heraus, von dem er sich gleich zum „Bremen“ korrigiert. Entschuldigend fügt er hinzu, dass Bürgermeister Wilhelm Kaisen ja ursprünglich aus Hamburg kam. Der Saal verzeiht es ihm.
19:50 Uhr: Respekt für Jens Böhrnsen
Das darf nicht fehlen: Reinken würdigt die Verdienste von Jens Böhrnsen. Dann leitet er gleich über: „Ich bin sicher, dass Carsten Sieling der Richtige für diese Aufgabe ist.“ Im Landesvorstand habe man „Carsten“ einstimmig gewählt, und dies wünsche er sich auch heute abend im Saal.
19:45 Uhr: Problemanalyse bei den Sozialdemokraten
SPD-Landeschef Dieter Reinken (Foto: pv) |
Reinken steigt tiefer in das Thema Bürgerschaftswahl und Stimmverluste ein. „Wenn uns mangelnde Problemlösungskompetenz zugeschrieben wird, können wir sagen, das war die mangelnde Haushaltslage. Aber das wird als Grundlage für die Arbeit der nächsten vier Jahre kaum reichen.“ Er rät dringend davon ab, „einfach zur Tagesordnung überzugehen“. Aber: „Wir nehmen jetzt sehr schnell die Verantwortung für unser Land wahr.“
19:40 Uhr: Die Nominierung
Schnell gings mit den Standards. Jetzt ist die SPD schon beim Tagesordnungspunkt 5 angelangt – die Nominierung des Bremer Bürgermeisters. Auch wenn es keine Gegenkandidaten gibt – Spannung ist im Saal durchaus zu spüren. Und spannend dürfte auch die Frage werden, wie hoch denn die Zustimmung für Sieling heute Abend wird. Derweil gibt sich Landeschef Reinken kämpferisch – und zieht über die Bremer CDU her, deren Spitzenkandidatin sich nach Berlin verabschiedet hat. „Das ist doch ein Skandal, was dort geliefert wird, darüber kann man sich schon lustig machen.“ Gleichwohl mache es die Probleme, die die SPD bewältigen müsse, nicht leichter.
19:35 Uhr: Die Tagesordnung erfordert Präzision
Hinter diesem SPD-Parteitag steckt auch eine komplizierte Tagesordnung, jetzt wird das Parteitagspräsidium gewählt. Carsten Sieling sitzt derweil ganz vorne, nicht auf dem Podium, im Saal, und verfolgt das Abarbeiten der Geschäftsordnung. Die GEW-Abordnung hat den Saal verlassen.
19:20 Uhr: Die Streikenden dürfen aufs Podium
Abordnung der GEW auf der Büzhne (Foto: pv) |
Jetzt darf eine Abordnung von Kita-Bremen auf die Bühne und eine kleine Rede für die Rechte der Erzieher halten. „Schon jetzt haben wir einen Kräftemangel“, sagte eine Mitarbeiterin von Kita Bremen, „wir brauchen 400 zusätzliche Fachkräfte. Wir wollen Qualität für unsere Arbeitsbedingungen.“ Die Dame ist Genossin: „Mit meinem sozialdemokratischen Herz hoffe ich, dass Carsten Sieling die Wahl gewinnt.“ Das gibt natürlich Applaus.
19:10 Uhr: Dieter Reinken eröffnet die Veranstaltung
Um kurz nach sieben Uhr eröffnete SPD-Landeschef Dieter Reinken die Veranstaltung. „Diesen Parteitag hatten wir uns so nicht vorstellen können“, sagte er den rund 198 Delegierten und 200 Gästen im Saal. Und er begrüßte die GEW-Demonstranten ausdrücklich, die am Eingang des Saals Position bezogen hatten.
18:50 Uhr: Empfang mit Demonstration auf dem Sedanplatz
Das war ein heißer Empfang für die Delegierten, die am Dienstagabend auf den Sedanplatz in Bremen-Vegesack gekommen waren: Vor den Türen hatte sich ein Spalier aus mehreren Hundert GEW-Demonstranten aufgebaut, die für die Erzieherinnen und Erzieher in Bremen streikten. Sie verteilten kleine Demo-Blumen aus Pappe an die Delegierten.