Diakon Harals Schröder und Streetworker Jonas Pot D‘ or im Gespräch mit dem WESER REPORT. Foto: Schlie |
Jonas Pot D‘or und Harald Schröder arbeiten seit Jahrzehnten für Menschen, die in Bremen auf der Straße leben. Zunehmend sind Senioren betroffen. Im Interview mit dem WESER REPORT verraten sie, worauf es bei der Wohnungslosenpolitik in der Hansestadt ankommen würde.
Seit einigen Monaten bleiben in Bremen viele Vorräume von Banken über Nacht geschlossen. Was bedeutet das für Wohnungslose?
Jonas Pot D‘or: Diese Plätze waren lange Zeit eine sichere Nische zum Übernachten: warm, trocken und videoüberwacht.
Harald Schröder: Die, die dort bislang übernachtet haben, vagabundieren jetzt nachts ungeschützt durch die City. Schlimm daran ist, dass dies nicht die ersten Orte sind, die den Wohnungslosen in jüngster Vergangenheit verloren gegangen sind.
Pot D‘or: Zuvor gab es auch gute Pätze wie Geschäftseingänge, Tunnel oder überdachte Rampen. Auch die sind zum Teil weggefallen.
Was müsste Ihrer Meinung nach unternommen werden, um den Mangel an Schlafplätzen wieder zu mildern?
Pot D‘or: Vor allem brauchen wir Wohnungsbau und die nächste Kälteperiode kommt bestimmt. Spätestens dann benötigen wir außerdem eine Notübernachtung für Menschen ohne Anspruch auf Sozialleistungen – etwa aus Bulgarien, Polen oder Rumänien.
Schröder: Wir brauchen dringend niederschwellige Angebote für diese Menschen. Ein erheblicher Teil von ihnen hat Scheu, Ämter und Institutionen zu betreten, um die eigene Notlage zu offenbaren. Je niederschwelliger das Angebot, um so eher können Obdachlose erreicht werden.
Ist die Zahl der Wohnungslosen in Bremen gestiegen?
Pot D‘or: Ja. Besonders im Bereich Bahnhof und Innenstadt. Das ist ein Trend, der in ganz Deutschland zu verzeichnen ist. In Bremen liegt es an der gesunkenen Zahl von Sozialwohnungen.
Schröder: Das ist katastrophal. Längst nicht jeder, der einen Anspruch auf so eine Wohnung hat, hat auch die Chance, eine zu bekommen. In ganz Bremen sieht es schlecht aus. Für weniger als die Hälfte der Betroffenen stehen Sozialwohnungen zur Verfügung.
Pot D‘or: Das lässt sich auch belegen. Die Zahl der neuen Wohnungssuchenden bei der Zentralen Fachstelle für Wohnen ist gestiegen und deren Suche dauert auch erheblich länger. Vor zehn Jahren konnte man jemanden noch in sechs bis acht Wochen in die eigenen vier Wände bringen. Heute ist es schon ein Erfolg, wenn das in sechs bis acht Monaten klappt.
Macht sich der demografische Wandel auch bei den Wohnungslosen bemerkbar?
Schröder: Es sind zunehmend auch Senioren, die durch geringe Rente und teure Mieten in Wohnungslosigkeit geraten. In der Winterkirche konnten wir während der vergangenen Monate die steigende Zahl von Rentnern beobachten, die die Miete nicht mehr zahlen konnten.
Grundsätzlich: Woran mangelt es Wohnungslosen in Bremen neben Wohnraum am meisten?
Pot D‘or: Das Leben auf der Straße ist anstrengend und umständlich. Für obdachlose Menschen fehlen unter anderem kostenlose sanitäre Anlagen und kostenlose Gepäckaufbewahrung.
Schröder: Vor zwei Jahren wurden 15 öffentliche Toiletten in der Innenstadt geschlossen. Dafür wurde kein Ersatz geschaffen. Hinzu kommt, dass es in Bremen keinen freien Trinkwasserzugang gibt. Das wird besonders im Sommer schwierig.