Eigentlich wollte er in Bezug auf seine politische Arbeit nie etwas persönlich nehmen. Der deutsche Abgeordnete im Europäischem Parlament mit zweitem, britischem Pass, empfindet den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union dennoch als „persönlichen Tiefpunkt“ und „historische Fehlentscheidung“. Freitagabend stellte sich David McAllister im Schroetersaal von Murkens Hof den Fragen des Radiojournalisten Hermann Vinke.
Volkshochschulleiterin Martina Michelsen begrüßte als Gastgeberin auch Laura Wanner von den Jungen Europäischen Föderalisten und Christoph Pohlmann aus dem Ministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten auf dem Podium. Die Volkshochschule schloss mit dieser Veranstaltung ihr Schwerpunktthema „Die Zukunft Europas, 100 Jahre nach Ende des Ersten Weltkrieges“ ab.
„Man kann dem Brexit nichts Gutes abgewinnen“
McAllister beklagt eine in der Frage des Brexit zutiefst gepaltene Gesellschaft, es werde Jahre dauern, die Gräben wieder zuzuschütten. Die Debatten seien für britische Verhältnisse „ungewohnt scharf“ geführt worden und waren von „Halbwahrheiten und Dreiviertellügen“ gekennzeichnet: Die Kampagne 2016 wäre auf einem Niveau geführt worden, das später Vorbild für Donald Trump, seinen Wahlkampf und nun seine Amtsführung in den USA geworden sei. Der CDU-Politiker vermutet, dass es im Zuge der Brexit-Kampagne auch zum ersten Mal zu einer Einmischung aus Russland gekommen sei. Dennoch: „Das demokratische Votum muss nun respektiert“ werden, Großbritanien bleibe auch nach dem EU-Austritt Handelspartner und NATO-Mitglied. „Brüssel muss die Türen offen halten“, so McAllister. Aus einem im Haus Europa „unglücklichen Mieter“ müsse ein „glücklicher Nachbar“ Europas werden können. Übrigens: „Wenn man dem Brexit etwas Gutes abgewinnen wolle, man kann dem Brexit nichts Gutes abgewinnen, wenn doch, dann dies, dass europaweit die Zustimmung zur Europäischen Union wieder gestiegen ist“, so McAllister.
Gerade die junge Generation, die ausschließlich ein Europa ohne Grenzkontrollen, mit einer gemeinsamen Währung und den Chancen auf ein Auslandsstudium und die freie Wahl des Arbeitsplatzes in ganz Europa als selbstverständlich erlebe, sei proeuropäisch. Das würde auch die jungen Briten einschließen, die jetzt bedauern, am Tag des Brexit-Votums nicht an die Wahlurne gegangen zu sein. Darauf wies auch Laura Wanner hin: Die Jugend müsse sich für Europa engagieren, sie tue es aber nicht.
„Jugend muss sich für Europa engagieren“
Für Christoph Pohlmann gibt es nach der Brexit-Entscheidung „nur Verlierer“. Niedersachsen mit seiner Automobilindustrie sei besonders betroffen, wenn es zu keiner Einigung über den Ausstieg Großbritanniens, sondern den so genannten harten Brexit komme. Aber man habe sich auch auf ein solches Szenario eingestellt, man habe es nur nicht so sehr kommunizieren können. Die Exporte in Richtung Großbritanien seien schon rückläufig, die Insel stehe im Ranking deutscher Exporte nicht mehr an dritter Stelle, sondern belege nur noch den zehnten Platz.
Aus dem Publikum wurde gefragt, ob der Austritt Großbritaniens Nachahmung bei anderen Ländern finden werde. McAllister wies darauf hin, dass es keine Zwangsmitgliedschaft in der EU gebe. Der Brexit zeige jetzt allen, dass es eine Alternative zur EU gibt. McAllister zieht aus dem Brexit vor allem eine Lehre: Beim nächsten Mal müsse sich Brüssel einmischen. Es sei ein Fehler gewesen, dass EU-Politiker nicht nach Großbritannien gegangen wären, um die proeuropäischen Kräfte zu stärken. Eine weitere Schlussfolgerung: Falls die Briten irgendwann zurück in die EU wollten, müsse man ihnen auch zur Bedingung machen, dass man sich dann aber an alle vereinbarten Regeln zu halten habe.