Die Journalistin Yvette Gerner leitet seit vergangenem August Radio Bremen. Zuvor arbeitete sie 24 Jahre lang beim ZDF in Mainz. Foto: Radio Bremen-Matthias Hornung
Interview

Yvette Gerner: „Welt nicht Netflix überlassen“

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Radio Bremen-Intendantin Yvette Gerner spricht im Interview über den Rundfunkbeitrag und neue Produktionen.

Weser Report: Frau Gerner, wie wirkt sich die Coronakrise auf Radio Bremen aus?

Yvette Gerner: Wir haben ein erweitertes Angebot auf butenunbinnen.de, mit Hintergrundberichten und einem Live-Ticker. Die Menschen können über ein Kontaktformular auf der Seite und über unsere Social-Media-Kanäle Fragen stellen. Insgesamt bieten wir Informationen, Service und Rat. Und wir sorgen auch für Ablenkung und Unterhaltung für die Menschen, die in Quarantäne sind. Natürlich haben wir auch eine hohe Verantwortung für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und besprechen täglich, welche Schutzmaßnahmen notwendig sind. Abhängig von der Pandemielage werden wir versuchen, dauerhaft ein Informationsangebot zu machen, aber vielleicht nicht mehr für jede Welle ein eigenes.

Wie sehr sind Talkshows oder Filmproduktionen betroffen?

Bei der Talkshow „3nach9“ haben wir etliche Schutzmaßnahmen ergriffen, zum Beispiel verzichten wir auf Publikum und verkürzen die Sendung. Alle langfristig geplanten Produktionen geraten gerade ins Stocken und werden verschoben auf die Zeit nach der Coronakrise. Das gilt auch für die Produktion des neuen Märchenfilms, die jetzt anlaufen sollte. Wir sind uns aber auch bewusst, welche Verantwortung wir als Auftraggeber für die Produzenten und Schauspieler in Deutschland haben. Sowohl die ARD wie auch das ZDF haben entsprechende Maßnahmen beschlossen.

Kurz nach Ihrem Amtsantritt wurde Bremen Vier reformiert. Was ändern Sie noch?

Ich hätte andere Veränderungen in den Vordergrund gestellt wie zum Beispiel die Produktion des ersten „Tatorts“ speziell für die Mediathek. Den planen wir für dieses Jahr, vorgesehen sind sechs Folgen, in denen sich das neue Ermittlerteam zusammenfindet. Und im Herbst wollen wir den ersten Fernseh-Tatort mit dem neuen Team drehen. Das sind größere Veränderungen als die bei Bremen Vier. Aber ich muss nicht alles verändern. Der Sender ist gut aufgestellt.

Produzieren Sie mehr Formate speziell für die Mediathek?

Wir werden alle Formate über alle Plattformen hinweg denken und Synergien schaffen. Aber es geht nicht nur um die Mediathek, sondern auch um die Audiothek. Gemeinsam mit dem WDR und dem RBB produzieren wir gerade das zweite Hörspiel zur Serie „Babylon Berlin – der stumme Tod“. Teile davon werden wir sicher auch im traditionellen Hörfunk anbieten.

Den Fernseh-Mehrteiler „Babylon Berlin“ hat die ARD in Kooperation mit dem Privatsender Sky produziert. Wie grenzen sich die öffentlich-rechtlichen Sender von den privaten noch ab?

Jede einzelne Kooperation muss man genau prüfen. Im Informationsbereich und im Servicebereich grenzen sich die Öffentlich-Rechtlichen klar von den Privaten ab. Im fiktionalen Bereich konkurrieren wir mit Unternehmen wie Amazon, Netflix und Disney. Wenn man dort noch werthaltige große Filme produzieren will, muss man in Einzelfällen auch über Kooperationen reden. Sonst überlassen wir die Welt Amazon und Netflix, weil nur solche Unternehmen ein globales Budget haben. Fiktion ist ja nicht nur reine Unterhaltung, sondern auch Information. Bei „Babylon Berlin“ lerne ich auch viel über deutsche Geschichte.

Was lerne ich in der ARD-Serie „In aller Freundschaft“?

In solchen Produktionen werden immer wieder aktuelle Themen aufgegriffen.

Im nächsten Jahr soll der Rundfunkbeitrag um 86 Cent auf 18,36 Euro monatlich steigen. Wie viel davon fließt ins Programm?

Fast alles fließt ins Programm. Knapp 90 Prozent der Beitragseinnahmen werden direkt dafür oder für programmrelevante Aufgaben wie die technische Verbreitung von Sendungen, verwendet. Durch steigende Kosten auf der einen und dem lange stabilen, jetzt vielleicht moderat erhöhten Beitrag auf der anderen Seite ist für Radio Bremen klar, dass wir weiter sparen müssen.

Die 16 Landesparlamente müssen der Erhöhung noch zustimmen. Was passiert, wenn sich ein Landtag weigert?

Das will ich nicht hoffen und kann ich mir nicht vorstellen. Es gibt ja auch verfassungsrechtliche Vorgaben. Für Radio Bremen würde es sonst mehr als eng.

Radio Bremen hat einen sehr strikten Sparkurs hinter sich. Müssen Sie dem Sender noch weitere Sparprogramme verordnen?

Alle öffentlich-rechtlichen Sender werden weiter sparen müssen. Der Beitrag von 18,36 Euro ist knapp berechnet. Deshalb diskutieren wir in der ARD weitere Sparprozesse und Kooperationsmöglichkeiten. In der aktuellen Lage sind aber nicht nur Sparprogramme, sondern auch schnelle Lösungen gefragt. Momentan geht es darum, unseren Job für die Menschen in Bremen, Bremerhaven und umzu, in ganz Deutschland zu machen. Informationen und viel Mehrwert in schwierigen Zeiten bieten. Dazu gibt es eine Vielzahl von Sonderangeboten wie Nachrichten in sechs Sprachen auf Cosmo; die WDR-Kollegen produzieren für Cosmo online ein Informationsformat rund um Corona mit Gebärdendolmetscher, der RBB streamt kulturelle Veranstaltungen ohne Publikum, SWR, BR und andere bieten Lern- und Schulprogramme in der Mediathek, die Liste ist lang.

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