Die Geschichte der Kunst beginnt mit der Zeichnung. Zugleich ist eine Skizze der erste sichtbare Ausdruck einer künstlerischen Idee. Die meisten Zeichnungen wurden nicht als eigenständige Kunstwerke geschaffen, sondern dienten der Konzeption und Umsetzung eines übergeordneten Werkes.
Erst in der Renaissance etabliert sich die Zeichnung auch als eigenständiges Medium. Die neue Ausstellung der Kunsthalle „Am Anfang war die Zeichnung“ (bis 6. September) stellt verschiedene Formen und Funktionen von Zeichnungen vor. Darunter viele Werke, die noch nie oder lange nicht zu sehen waren.
Die Schau präsentiert prominente sowie auch zahlreiche unpublizierte Meisterzeichnungen aus dem Bestand des Kupferstichkabinetts. Insgesamt sind in den beiden Studiensälen 55 Originale versammelt – vom 15. bis zum 20. Jahrhundert.
Dürer, Liebermann, Modersohn-Becker
Darunter befinden sich neben Zeichnungen auf Papier auch drei Arbeiten auf Pergament, zwei Gemälde, eine Statuette, ein Skizzenbuch, eine Radierung und ein Film. Die Werke stammen unter anderem von Albrecht Dürer, Lovis Corinth, Max Liebermann und Paula Modersohn-Becker.
Nach mehr als 70 Jahren wird ein Entwurf (um 1898/1900) von Paula Modersohn-Becker für ein Schokoladen-Sammelbild des norddeutschen Lebensmittelunternehmens Stollwerck erstmals wieder gezeigt. Die Illustration war einer von mehreren Entwürfen, die Modersohn-Becker für zwei von Stollwerck ausgeschriebene Wettbewerbe für Sammelbilder schuf.
Der Schokoladenfabrikant Hans Imhoff, selbst Kunstsammler, erhoffte sich durch die Einführung der Sammelbilder größere Verkaufszahlen. Das ausgestellte Aquarell von Paula entstand also für einen gewerblichen Zweck.
Weniger Künstlerinnen im Bestand
Neben ihr ist mit Angelika Kauffmann eine weitere prominente Malerin in der Ausstellung vertreten. Weitere weibliche Positionen werden bewusst gezeigt, obwohl sich diese nicht immer nahtlos einfügen. Ein Grund dafür ist, dass es sehr viel weniger Künstlerinnen als Künstler gab und auch der Bremer Bestand vom 16. bis 18. Jahrhundert hier entsprechend klein ist. Ein anderer Grund ist, dass Frauen bis ins 20. Jahrhundert hinein meist nicht die gleiche professionelle Ausbildung erhielten wie ihre männlichen Kollegen.
In der Ausstellung wird der Formfindungsprozess einer Bildidee von der Skizze über die Studie zur direkten Vorzeichnung nachvollziehbar gemacht. Anschaulich wird das am Beispiel des Gemäldes „Die Kindheit des Zeus“ von Lovis Corinth: Das Bremer Kupferstichkabinett besitzt fünf Zeichnungen und eine Ölskizze, die der Künstler in Vorbereitung des Gemäldes anfertigte.