Weser Report: Herr Schäck, was packen Sie als neuer Landesvorsitzender der Bremer FDP zuerst an?
Thore Schäck: Wir wollen als Partei für Frauen interessanter werden. Und wir müssen ein bisschen lauter werden, damit die Bremerinnen und Bremer besser verstehen, für was die FDP steht. Wir haben in Bremen ein großes liberales Potenzial. Perspektivisch können wir in Richtung zehn Prozent gehen.
Bei der Bürgerschaftswahl kam die FDP auf 5,9 Prozent und bei der Europawahl nur auf 4,6 Prozent. Der letzte Bremer FDP-Politiker im Bundestag war Torsten Staffeldt, der 2013 ausgeschieden ist.
Unsere Botschaften sind manchmal schwer zu verstehen, weil sie komplexer sind. Wir täuschen keine einfachen Antworten auf komplexe Probleme vor, deshalb müssen wir in der Kommunikation besser werden. Wir müssen beispielsweise mit klaren Bildern greifbar machen, weshalb eine funktionierende Wirtschaft wichtig ist oder warum die Antwort auf die Klimakrise nicht Verbote und Verzicht, sondern nur Wissenschaft und Entwicklung sein können.
Der neue FDP-Generalsekretär Volker Wissing steht vor allem für Wirtschaft. Beschränkt sich die FDP wieder auf den Bereich?
Die Wirtschaft war bei uns immer ein Kernthema. Gerade jetzt spüren wir, was es bedeutet, wenn die Wirtschaft nicht mehr rundläuft. In den vergangenen Monaten wurde ihr coronabedingt einiges zugemutet.
Der Staat spielt wieder eine stärkere Rolle. Das kann nicht im Sinne der FDP sein, oder?
Der Staat hat Einschränkungen vorgenommen, die zum großen Teil notwendig waren, aber die Unternehmen auch stark belastet haben. Deshalb ist es gar nicht anders machbar, als dass der Staat jetzt vorübergehend einspringt. Er muss sich aber wieder zurückziehen, sobald die Lage besser wird.
Auch in Bremen?
In Bremen gibt es schon seit langem eine Tendenz, als Staat unternehmerisch tätig zu sein. Diese ausgeprägte Landesbeteiligung wird sich nicht in allen Bereichen reduzieren lassen. Aber wir müssen uns genau ansehen, wo es doch geht, zum Beispiel beim Hafenlogistiker BLG, dessen viele Beteiligungen im Ausland aus meiner Sicht nicht zwingend wirtschaftliches Risiko der Stadt Bremen sein müssen. Der Klinikverbund Geno ist ein klassisches Beispiel dafür, dass staatliche Beteiligung nicht effizienter ist und sogar zu einer massiven Belastung des Haushalts führt. Die Geno hat vor nicht allzu langer Zeit eine dreistellige Millionensumme aus Steuermitteln erhalten und jährlich tun sich wieder neue zweistellige Millionenlöcher auf. Wir müssen auch ein Krankenhaus wieder unternehmerischer führen. Andere Landeskrankenhäuser zeigen, dass es geht.
Finanzsenator Dietmar Strehl möchte auch für 2021 wieder eine Notsituation ausrufen.
Wir kommen nicht darum herum. Aber mich stört die pauschale Schuldenaufnahme. Die rot-grün-rote Koalition müsste zuerst die Projekte benennen, für die Geld benötigt wird.
Der Finanzsenator leiht sich die 1,2 Milliarden Euro für den Bremen-Fonds ja nicht auf einen Schlag, sondern immer nur den Betrag für ein konkretes Projekt.
Das ist richtig, aber es gibt eine pauschale Freigabe für 1,2 Milliarden Euro. Damit kehrt in die Koalition wieder verstärkt die Mentalität ein, Geld auszugeben, weil es verfügbar ist. Das Land Bremen zahlt ja jetzt schon jedes Jahr 600 Millionen Euro allein an Zinsen. Von dem Geld fließt kein einziger Euro in die Schuldentilgung. Und der Bremen-Fonds ist noch gar nicht berücksichtigt.
Wie soll Bremen seine Schulden tilgen?
In den vergangenen Jahren haben sich große Unternehmen aus Bremen verabschiedet oder sich im Umland angesiedelt statt in Bremen. Damit fallen Arbeitsplätze und Steuereinnahmen weg. Auch Familien ziehen aus Bremen weg wegen der Bildungssituation, wegen der Verkehrslage und weil sie in Bremen nicht das gewünschte bezahlbare Einfamilienhaus mit Garten bekommen.
Der Senat forciert doch den Wohnungsbau.
Das ist zu wenig. Für manche Zielgruppe ist das sinnvoll, was der Senat wohnungspolitisch macht. Aber wir müssen auch ein Angebot schaffen für junge Familien, die ein Einfamilienhaus mit Garten suchen. Bremen hat größere Flächen, die sich dafür nutzen lassen.
Die Koalition fordert eine autoarme bis hin zur autofreien City. Zu den ersten Maßnahmen gehört die Verengung der Martinistraße, die die City von der Schlachte trennt. Was spricht dagegen?
Ich würde mir die Martinistraße auch wegwünschen, wenn es möglich wäre. Aber wo soll der Verkehr dann fließen? Dafür gibt es trotz jahrzehntelanger Diskussion keine Vorschläge. Die Martinistraße ist ein notwendiges Übel. Auch wenn man die Kerninnenstadt von der Martinistraße bis zum Wall autofrei macht, muss man Alternativen schaffen, auch zum Parken. Rund 30 Prozent des City-Umsatzes kommen von Menschen aus Niedersachsen. Die fahren in der Regel mit dem Auto nach Bremen.
Freie Fahrten mit Straßenbahn und Bus lehnen Sie ab?
Wir sind nicht grundsätzlich gegen einen kostenlosen öffentlichen Personennahverkehr. Aber Bremen hat nur begrenzte Mittel. Mit dem Geld sollten wir mehr Linien schaffen, sie häufiger fahren lassen und mehr Haltestellen einrichten. Das bringt Menschen zum Umsteigen, wie Studien zeigen.