Weser Report: Herr Trapp, Kinder und Jugendliche dürfen mit den bisherigen Corona-Impfstoffen noch nicht geimpft werden. Sehen sie diese Altersgruppe deshalb als besonders gefährdet?
Stefan Trapp: Nein, da Kinder und Jugendliche nachweislich deutlich seltener als Erwachsene einen schweren Krankheitsverlauf bei Covid-19 haben. Es ist richtig, dass zunächst die älteren und besonders gefährdeten Menschen geimpft werden. Trotzdem sollten auch für Kinder und Jugendliche mittelfristig Impfstoffe zugelassen werden, damit wir die Pandemie dauerhaft in den Griff bekommen können.
Warum ist die Zulassung von Impfstoffen für jüngere Menschen so schwierig?
Es ist einfach ein noch deutlich größerer Aufwand, Studien an jüngeren Menschen durchzuführen. Das fängt schon mit der Einverständniserklärung an, die bei Minderjährigen ja erstmal durch die Erziehungsberechtigten vorliegen muss. Um das Verfahren zu beschleunigen, hat der Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte bereits einige Forderungen an die Zulassungsbehörden und die Impfstoffhersteller gestellt.
Haben sich in Ihrer Praxis schon viele Eltern nach einem Impfstoff für ihre Kinder erkundigt?
Ja, einige haben sich erkundigt, aber die meisten kann ich dann beruhigen. Es gibt viele Studien, die das geringere Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf belegen. Trotzdem kann ich natürlich auch die Sorgen vieler Eltern nachvollziehen, dass sich ihr Kind in der Schule oder im Kindergarten infiziert und vielleicht unbemerkt zum Überträger wird.
Stichwort Schule und Kindergarten: Wie sehen Sie die aktuellen Regelungen in Bremen?
Wir Kinderärzte setzen uns dafür ein, dass Kinder ihre Kontakte in Schule und Kita behalten können, insofern dort gute Hygienekonzepte umgesetzt werden. Es wäre meiner Meinung nach auch sinnvoll, dass Erzieher Masken tragen. Man kann die Kinder nicht einfach auf Dauer nach Hause schicken. Vielen Kindern fehlt schon seit langer Zeit das soziale Umfeld, das hat teils dramatische Auswirkungen. Bremen geht aus meiner Sicht den richtigen Weg, Kindern den Besuch von Kita und Schule prinzipiell zu ermöglichen.
Mit welchen Folgen der Isolation vieler Kinder haben Sie Erfahrungen gemacht?
Vor allem Kinder, die sowieso schon unter schwierigen Bedingungen aufwachsen, sind betroffen. Die Isolation führt häufig zu Medienmissbrauch. Viele Kinder konsumieren viel zu viel und verlieren dadurch ihren normalen Tagesablauf aus den Augen. Zudem treten immer häufiger Angststörungen auf, die auch aus der allgemeinen Unsicherheit in der Pandemie resultieren. Rein körperlich ist zudem Übergewicht ein häufiger auftretendes Problem, da auch die Ernährung unter der fehlenden Tagesstruktur leidet.
Also raten Sie Eltern grundsätzlich eher dazu, die Kinder in die Einrichtungen zu schicken statt sie zu Hause zu behalten?
Im Prinzip ja, da nach meiner Überzeugung von den Kitas nur ein kleines Risiko ausgeht und die Nachteile für die Kinder überwiegen. Ausnahmen würde ich machen, wenn etwa ein Elternteil schwer erkrankt ist oder hochbetagte Großeltern mit im Haushalt leben.
Wie macht sich die Corona-Pandemie derzeit in ihrem Alltag als Kinderarzt bemerkbar?
Die Infektionssprechstunden sind aktuell nur wenig besucht. Zudem gibt es durch die beschränkten Kontakte einen massiven Rückgang an Infektionskrankheiten zu verzeichnen.