"Mit 13 ehemaligen Erstligisten ist es die attraktivste 2. Liga aller Zeiten", meint Peter Neururer. Foto: Nordphoto Der Rucksack mit den Negativerlebnissen der vergangenen Jahre ist bei den Werder-Spielern nicht angetackert, ist Peter Neururer überzeugt. Foto: Nordphoto
Unter der Lupe

„Es ist ein anderes Spiel“

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Trotz des eher schwachen Auftakts: Für Trainerlegende Peter Neururer ist Bremen Top-Favorit - noch.

Der erste Spieltag in der 2. Liga ist gespielt, Werder mit einem 1:1 gegen Hannover mäßig aus den Startlöchern gekommen. Für den WESER REPORT analysiert Kult-Trainer Peter Neururer den Auftakt, der zahlreiche Clubs der 1. und 2. Bundesliga trainierte und auch als TV-Experte großes Ansehen genießt.

Weser Report: Herr Neururer, wie haben Sie den Zweitligastart erlebt?

Peter Neururer: Ich war in der Arena auf Schalke, wo der HSV verdientermaßen gewonnen hat. Aber an diesem Tag habe ich im Stadion eine Atmosphäre erlebt, wie mit Sicherheit seit 20 Jahren nicht mehr. Die Stimmung war sensationell – ein Gänsehaut-Erlebnis. Natürlich war die Enttäuschung der Schalker und ihrer Fans nach der Niederlage groß. Aber die Leute dort haben die 2. Liga akzeptiert als Folge des Fehlverhaltens, das zum Schalker Abstieg geführt hat.

Wie aussagekräftig kann ein erster Spieltag sein?

Der Start ist immer wichtig. Eine Mannschaft kann in einen gewissen Flow kommen – sowohl in die eine, aber auch in die andere Richtung. Natürlich kann man nach nur einem Spiel keine Prognose abgeben, wo die Mannschaften am Ende landen, aber man kann bestimmt schon Tendenzen erkennen.

Kommen wir zu Werder: Wie schätzen Sie die Leistung beim 1:1 gegen Hannover ein, wo Sie in ihrer Karriere ja auch schon Trainer waren.

Sogar zweimal war ich in Hannover, deswegen interessiert mich der Club natürlich noch sehr. Und weil meine Frau und mein Sohn übrigens beide Werder-Fans sind, bin ich da auch ganz gut auf dem Laufenden (lacht). Das war insgesamt ein gutes Spiel und hatte große Klasse für die 2. Liga. Normalerweise hätte man von Werder als Erstliga-Absteiger einen Sieg im Heimspiel erwartet – umso überraschter war ich über die Chancen, die die Hannoveraner in der Schlussphase hatten, als sie das Spiel hätten gewinnen können.

Wie erleben Sie aus der Ferne das, was in Bremen momentan geschieht – wo die Clubführung noch 15 bis 20 Transfers angekündigt hat.

Werder hat die schlechteste Situation von allen Zweitligisten, weil sie nicht wissen, wie der Kader aussehen wird, wenn der Transfermarkt in einem Monat geschlossen wird. Ginge man nur von dem Kader aus, den Werder jetzt in diesem Moment zur Verfügung hat, dann wäre der Verein für mich Top-Favorit der 2. Liga

Davon war gegen Hannover aber noch nicht viel zu sehen. Viele sagen, die Spieler würden die Misserfolge der vergangenen zwei Jahre immer noch als Belastung – quasi als Rucksack mit sich herumschleppen.

Dieser Rucksack ist aber nicht angetackert oder angeschweißt. Den kann man ablegen.

Aber wie macht man das?

Dafür gibt es kein Patentrezept. Das muss jeder Trainer selbst herausfinden. Aber wenn wir jetzt von fehlendem Selbstvertrauen sprechen, muss man natürlich klar sagen: Wo soll das herkommen. Werder ist ja nicht aus Spaß oder Pech abgestiegen, dafür gab es Gründe.

Und wie bekommt Werder die Kurve?

Da helfen nur gute und überzeugende Leistungen – dann gewinnt man auch zu 80 Prozent seine Spiele.

Das scheint in der 2. Liga aber nicht so einfach – auch nicht für einen noch personell vermeintlich überdurchschnittlich gut besetzten Kader.

Weil es für die Bremer eben auch ein anderes Spiel geworden ist: In der 1. Liga musste die Mannschaft vor allem gegen den Ball arbeiten – jetzt in der 2. Liga sind sie fast immer Favorit und müssen mit dem Ball arbeiten.

Wenn Sie selbst Trainer bei Werder wären, würden Sie da nicht verrückt werden, dass Sie nicht wissen, welchen Kader sie in zwei, drei oder vier Wochen zur Verfügung haben?

(lacht) Solche Probleme hätte ich gerne gehabt – da bin ich als Trainer schon in schlimmeren Situationen gewesen. Aber jetzt ist natürlich die Vereinsführung gefordert, dem Trainer eine Mannschaft zur Verfügung zu stellen, die um den Aufstieg mitspielen kann.

Schafft Werder denn den direkten Wiederaufstieg?

Darauf könnte ich am 31. August, wenn man sieht, über welchen Kader Werder tatsächlich verfügt, eine realistische Antwort geben.

Ist es die stärkste 2. Liga aller Zeiten?

Das kann man jetzt noch nicht sagen. Aber von den Namen her ist es sicher die attraktivste: 13 ehemalige Erstligisten – das ist Tradition gebündelt.

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