Seit 1. Oktober leitet Oliver Rau bei der Wirtschaftsförderung Bremen (WFB) die Bereiche Tourismus und Marketing. Zuletzt war im Vorstand der Deutschen Sporthilfe.Foto: Schlie
Tourismus

„Nicht für Bremen schämen“

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Wie der neue Tourismus-Chef Oliver Rau mehr Reisende nach Bremen locken will.

Weser Report: Herr Rau, Sie haben ein Update der Tourismus-Strategie 2025 angekündigt. Was wollen Sie ändern?

Oliver Rau: Als die Strategie 2018 erarbeitet wurde, war ein Ziel, die Übernachtungen bis 2025 zu steigern, auf jährlich 2,9 Millionen in der Stadt Bremen. An diesem Ziel halten wir auch nach der Pandemie vorerst fest. 2019, im letzten Jahr vor Corona, hatten wir in der Stadt Bremen bereits 2,3 Millionen Übernachtungen. Wir wollen uns aber nicht nur an den Zahlen messen lassen. Wichtige Punkte sind die Qualität des touristischen Angebots und die Zufriedenheit der Gäste. Besonders aber den Themen Nachhaltigkeit und Digitalisierung haben wir in der Strategie eine bedeutendere Rolle gegeben. Nachhaltige Angebote werden für viele Menschen ein zunehmend wichtiger Faktor bei der Wahl ihres Reiseziels.

Was muss Bremen dafür tun?

Wir müssen hier gemeinsam mit allen Akteurinnen und Akteuren im Tourismus entsprechende Angebote schaffen. Man könnte Hotels beispielsweise animieren, ihren CO2-Ausstoß zu reduzieren. Mit unserem Bike-It-Projekt wollen wir gemeinsam mit Bremerhaven mehr ausgewählte Routen und mehr Erlebnisse für Fahrradfahrende schaffen.

Was planen Sie in der Digitalisierung des Tourismusangebots?

Wir haben in der Corona-Krise schon ein paar digitale Dinge ausprobiert, zum Beispiel das Sofa-Shopping. Zur Vorbereitung einer Reise bieten wir auf bremen.de virtuelle Stadtführungen und andere Möglichkeiten, die Stadt zunächst online zu erkunden. Im Bereich Virtual Reality arbeiten wir derzeit an Ideen, die direkt vor Ort in Bremen angeboten werden können. Im nächsten Jahr werden wir außerdem unser touristisches Leitsystem neu aufstellen. Wir planen dazu neue Stelen und eine App, die man mit diesen Wegweisern digital kombinieren kann.

Wie wollen sie ausländische Gäste nach Bremen locken?

In den Jahren vor Corona kamen rund achtzig Prozent der Gäste aus Deutschland, 20 Prozent aus dem Ausland, vor allem aus den Niederlanden und aus den skandinavischen Ländern. In diesem Verhältnis ist noch Luft nach oben. Wir sind weltweit auf über 30 Messen unterwegs. Auf der ITB in Berlin, der weltgrößten Reisemesse, werden wir als eines der wenigen Bundesländer im nächsten Jahr einen eigenen Stand haben. Das schafft Strahlkraft nach außen, aber zunächst einmal muss die Pandemie beendet sein. Der Deutschlandtourismus erholt sich relativ schnell, die Auslandsgäste werden noch länger auf sich warten lassen. Hier müssen wir aber auch aktiver werben.

Wen wollen sie vor allem ansprechen: Städtereisende oder Geschäftsreisende?

Beide Gruppen sind wichtig für Bremen. Durch Corona kamen Messen und Kongresse komplett zum Erliegen, aber auch dieses Geschäft zieht wieder an. Der Kongress der Intensivmediziner kommt 2022 wieder nach Bremen und damit kommen 4.500 bis 5.000 Mediziner. Im nächsten Jahr haben wir hier beispielsweise auch den weltweiten Leitkongress zum Thema Korallen mit über 2.000 Wissenschaftlern und den Deutschen Schifffahrtstag.

Hamburg hat die Elbphilharmonie, Köln den Dom und Bremen?

Neben dem Weltkulturerbe Rathaus, den Stadtmusikanten, der Böttcherstraße, dem Schnoor haben wir jede Menge Kunst und Kultur oder zum Beispiel die Wissenswelten. Ich könnte die Liste noch ewig fortsetzen. Doch Städtetourismus ist vor allem anlassbezogen. Deshalb ist es wichtig, hier monatlich entsprechende Angebote zu haben. Zum Beispiel haben wir für das Marketing die Themenjahre geschaffen: 2022 kommt „Klangfrisch“ mit über 100 Musikveranstaltungen, 2023 das Thema mit dem Arbeitstitel „Fluss/Genuss“. 2024 wird der Fokus auf dem „Fahrrad und Mobilität“ liegen.

Planen Sie auch Sportevents?

Dieser Bereich ist mir ebenfalls sehr wichtig. Wir haben beispielsweise schon den Bremen-Marathon. Der ist sicher noch ausbaufähig. Das gilt auch für den Triathlon in der Überseestadt. Auf dem Werdersee werden wir im nächsten Jahr einen großen Stand-up-Paddle-Wettbewerb unterstützen. Wir müssen es aber auch schaffen drei, vier Mal im Jahr ein sportliches Highlight mit überregionaler Bedeutung für Bremen zu gewinnen.
Wie sehr wirkt sich der Zustand der Innenstadt auf den Tourismus aus?

Touristen sind wichtig für das Funktionieren einer Innenstadt und umgekehrt. Das wurde von der Politik erkannt und es gibt ja große Unterstützungsprogramme. Als WFB haben wir auch schon eine Menge gemacht: zum Beispiel Popup- und Concept-Stores ermöglicht. Die retten nicht die Innenstadt, schaffen aber den Übergang zu einem Wandel, der dringend kommen muss. Es mangelt nicht an Konzepten oder Investorenwillen. Aber wir müssen ein paar Dinge aus dem Feld räumen. Dazu gehört meines Erachtens auch die Verlegung der Straßenbahn aus der Obernstraße in die Martinistraße. Damit wäre schon viel gewonnen. Dann entsteht vielleicht in der Obernstraße eine „Rambla“ wie in Barcelona oder auf Mallorca.

Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt plant eine Senatsvorlage zur Förderung des Tourismus. Worum genau geht es?

Wir sind gerade dabei, zusammen mit dem Ressort auszuloten, welche Maßnahmen nun besonders wichtig und dringend sind. Das kann eine bundesweite Kampagne zum Restart sein oder die Schaffung von neuen Angeboten vor Ort. Auf jeden Fall werden wir hier mit Bremerhaven gemeinsam planen.

Sie haben zuletzt lange in Frankfurt gearbeitet und gelebt. Wie wird Bremen auswärts gesehen?

Sehr positiv, positiver als vielleicht von den Bremerinnen und Bremern selbst. Für Bremen muss man sich nicht schämen.

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