Weser Report: Herr Schulz, die Benzinpreise erreichen ungeahnte Höhen. Was heißt das für das Carsharing-Angebot von Cambio?
Lasse Schulz: Wir haben einen Automatismus zur Anpassung der Kilometerpreise: Steigt der Benzinpreise um jeweils 15 Cent, erhöht sich der Kilometerpreis um je einen Cent. Das war jetzt der Fall. In der Vergangenheit haben wir solch eine Erhöhung auch mehrfach schon wieder zurückgenommen, wenn die Preise wieder fielen. Wie viel ein Kunde tatsächlich zahlt, hängt von der Art der Nutzung ab. Wir haben unterschiedliche Tarife. Und ab 100 Kilometer ist der Preis je Kilometer günstiger als auf einer kurzen Strecke.
Wie hat sich die Corona-Pandemie auf das Geschäft ausgewirkt?
Viele Dienstfahrten fielen aus, weil es weniger Präsenztermine gab und mehr online konferiert wurde. Allerdings haben wir in den letzten Monaten diverse Neuverträge mit Unternehmen geschlossen, die ihren eigenen Pool auflösen und jetzt auf unsere Fahrzeuge zugreifen. Gleichzeitig nutzen Privatleute unsere Autos häufiger als früher. Ein Grund ist der Trend zum Urlaub in der Region. Aktuell sind unsere Fahrzeuge für die Ferienzeiten so gut ausgelastet wie noch nie. Für die Osterferien haben wir jetzt schon mehr Nutzungszeit denn je verkauft. Sie können mit unseren Fahrzeugen aber auch bis nach Südfrankreich fahren.
Wie viel tragen die Geschäftskunden zum Umsatz bei?
Das kann man nicht genau sagen, denn bei vielen Freiberuflern wissen wir gar nicht, ob sie die Autos privat oder dienstlich nutzen. Ungefähr die Hälfte unseres Umsatzes machen wir mit Geschäftskunden, die andere Hälfte mit privaten.
Seit 2020 bieten Sie auch Free-Floating an: Diese Autos haben keinen festen Stellplatz, sondern stehen da, wo der letzte Nutzer sie abgestellt hat. Bis dahin mussten alle Fahrzeuge immer an einem festgelegten Platz abgeholt und abgegeben werden. Was ist die Zukunft?
Beide Systeme haben ihre Vorteile. Ein stationsbasiertes Auto kann ich Wochen oder Monate im Voraus reservieren. Ich weiß dann, dass es zum geplanten Termin verfügbar ist und wo es steht. Ein Free-Floating-Auto kann ich im Free-Floating-Gebiet am Ziel einfach abstellen, und ich muss mich nicht vorher festlegen, wann ich es zurückbringe. Wir sind 2020 mit 30 Free-Floating-Fahrzeugen gestartet und haben jetzt 95. Insgesamt hat Cambio Bremen über 530 Autos, davon sind 500 in der Stadt Bremen, die anderen im Umland stationiert. Wir glauben, die Zukunft ist die Kombination beider Angebote.
Warum darf ein Free-Floating-Auto nicht in der Bremer City abgestellt werden?
Wir beschränken uns auf die Gebiete, wo wir viele Kunden haben, sonst könnten wir Free-Floating nicht wirtschaftlich anbieten. Die Innenstadt haben wir aber auch herausgelassen, weil wir die Pläne für eine autofreie Innenstadt unterstützen.
Cambio Bremen stellt nur elf Elektro-Autos bereit. Warum nicht mehr?
E-Autos lassen sich bis jetzt nicht wirtschaftlich betreiben. Sie sind nicht nur an sich teurer, die Lade-Infrastruktur erzeugt zusätzliche Kosten. Pro E-Auto müssen wir am Stellplatz eine Ladesäule installieren. Das ist sehr teuer und sehr aufwendig. Wir arbeiten daran, unsere E-Flotte auszubauen, aber noch subventionieren die Verbrenner die E-Autos.
Jüngst haben Sie mit ähnlichen Anbietern ein Netzwerk gegründet, jetzt kann man über Cambio Bremen in 272 deutschen Städten ein Carsharing-Auto buchen. Was haben Sie davon?
Dank dieser Kooperation können wir unseren Kunden ein Riesennetz an Mobilitätsmöglichkeiten anbieten. Man kann zum Beispiel mit dem Zug nach München fahren und dort mit dem Fahrzeug von Stadtauto München in die Berge weiterfahren. Damit werden die Nutzer unabhängiger von einem eigenen Auto, und das ist ja unser Ziel.
Wie lange nutzt Cambio ein Auto?
Im Grunde vier Jahre lang, aber wegen der Halbleiterkrise und den ausbleibenden Zulieferungen aus der Ukraine ist es aktuell schwer, neue Fahrzeuge zu bekommen. Darum müssen wir die vorhandenen Autos länger einsetzen, bis wir sie auswechseln und verkaufen können.
Die Zahl der Kunden, der Autos und der Stationen steigt seit Jahren. Wie wirkt sich das aufs Geschäft aus?
Im vergangenen Jahr hatte die Cambio-Gruppe erstmals über 100.000 Kunden, davon über 20.000 in Bremen. Der Umsatz stieg in Deutschland gegenüber dem Vor-Corona-Jahr 2019 um 25,5 Prozent auf rund 23 Millionen Euro. Um die steigende Nachfrage zu bedienen, investieren wir kontinuierlich. Das Wachstum wirkt sich deshalb kaum auf die Gewinne aus. Bei Cambio Bremen freuen wir uns, wenn wir einen fünfstelligen Gewinn erzielen. Das ist allerdings nicht in jedem Jahr der Fall.
Aber Sie expandieren weiter?
Da, wo wir schon sind, verdichten wir das Angebot, und wir gehen regelmäßig auch in andere Städte. Cambio Bremen zum Beispiel zuletzt nach Leer und Wilhelmshaven. Wir expandieren Schritt für Schritt und nur dort, wo wir sicher sind, absehbar wirtschaftlich arbeiten zu können.