Im Sommer Erdbeeren im großen Garten ernten, sich in der Wohnung an den Turnringen austoben oder mit den Kaninchen im Keller spielen – es sind durchaus schöne Erinnerungen, die Gottfried Heidemann an seine Kindheit in Osterholz-Scharmbeck hat. Bis im Jahr 1933 die Nationalsozialisten an die Macht kommen und der jüdische Junge um sein Leben und das der Familie fürchten muss. Seine Enkelin Sivan Heidemann Freund kehrte am vergangenen Mittwoch zu dem Haus in der Findorffstraße zurück, das die Familie Heidemann einst ihr Zuhause nannte.
Stolpersteine für acht Familienmitglieder
Hier, vor der Hausnummer 8, wurden acht Stolpersteine verlegt. Sie erinnern von nun an Iwan, Irma, Alfred, Grete und Betty Heidemann, allesamt von den Nationalsozialisten ermordet, und an Kurt, Lilly und Gottfried, später David, Heidemann, denen unter lebensgefährlichen Umständen die Flucht aus Deutschland gelang.
Anreise aus Israel, England und den USA
Die Stolperstein-Initiative Landkreis Osterholz hatte die Verlegung organisiert. Über einen Kreisstädter konnten Angehörige kontaktiert werden. Aus Israel, England und den USA reisten sie für die Aktion an. „Das ist eine echte Ehre“, sagte Andreas Otterstedt von der Initiative. Er hatte zu der Familie Heidemann recherchiert und konnte den Angehörigen noch viele Einzelheiten nennen.
„Sie waren Patrioten“
Den Besuchern aus Israel, England und den USA sei es ein Anliegen gewesen, das Haus der Familie vor Ort zu sehen. An der Findorffstraße haben die Heidemanns nicht nur gelebt, sondern auch ein Bekleidungsgeschäft betrieben. Die Urgroßväter hätten im ersten Weltkrieg gekämpft, sogar das Eiserne Kreuz erhalten und konnten nicht verstehen, dass der deutsche Staat sich nun in einer unvorstellbaren Härte gegen sie wendet. „Sie waren Patrioten“, sagte Sivan Heidemann Freund.
Schülerin trägt vor
Auf welch perfide Art die Jüdinnen und Juden zu Außenseitern gemacht wurden, das zeigte die 13-jährige Schülerin Ceylin Boyraz. Sie las die Erinnerungen von Lilly Heidemann, die die Mittelschule – heute Lernhaus am Campus – besucht hatte, vor. Ein besonders ergreifender Moment, nicht nur für die Nachfahren, sondern auch für die zahlreichen Einwohner, die sich zur Verlegung eingefunden hatten.
Ort der Erinnerung
„Für die Angehörigen kommt bei allem Schmerz dazu, dass sie kein Grab, keinen Ort der Erinnerung haben“, sagte Andreas Otterstedt. Mit den Stolpersteinen wolle man nun einen solchen Ort bieten.