Alice Rath ist gebürtige Bayerin und hat in Wien Frauen- und Geschlechtergeschichte studiert. In die Historie des Landkreises musste sie sich erstmal reinfinden. Foto: Johannsen
Frischer Wind zwischen alten Akten: Das Kreisarchiv hat seit Anfang des Jahres eine neue Leiterin. Die Historikerin Alice Rath ist die Nachfolgerin von Gabriele Jannowitz-Heumann, die sich Ende 2022 in den Ruhestand verabschiedete. In ihrer neuen Position kommt Rath den Menschen im Landkreis ganz nah – und sei es nur durch alte Schriftstücke.
„Am meisten beeindrucken mich die Ehesammelakten“, sagt Rath. Vor allem die Schicksale zahlreicher Liebender in der NS-Zeit lassen die 36-Jährige nicht mehr los. Damals entschied auch das Gesundheitsamt darüber, ob eine Ehe geschlossen werden konnte oder eben nicht.
„Passten“ die angehenden Eheleute laut NS-Ideologie nicht zueinander, durfte nicht geheiratet werden. „In der Theorie hat jeder davon schon gehört“, erklärt Rath. „Aber erst anhand der Akten wird einem bewusst, was dahinterstecken. Beim Lesen fühlt man sich, als würde man dem Sacharbeiter über die Schulter gucken.“
Die Historie des Landkreises hautnah erleben – das will die neue Archivleiterin nach einer pandemiebedingten Unterbrechung nun auch wieder Schulklassen ermöglichen. „Das Archiv ist ein außerschulischer Lernort und sollte seiner Verantwortung wieder gerecht werden“, sagt Rath. „Nur hier gibt es Einsicht in die Originale.“
Eben wegen diesen originalen Schriftstücken hat Rath seit Januar bereits Anfragen aus aller Welt erhalten. Ob Argentinien, Mexiko oder England: Viele Nachkommen von Verfolgten aus der NS-Zeit wollen zur eigenen Familiengeschichte forschen. „Die meisten möchten eine deutsche Staatsbürgerschaft beantragen und müssen nachweisen, dass die Großmutter oder der Großvater im Landkreis geboren sind.“
Solche Anfragen seien für Rath besonders schön. „Man kann direkt für die Menschen etwas tun und sie bei ihrem Vorhaben unterstützen.“
Ob Studierende, Promovierende oder Hobby-Forscher: Alice Rath berät alle Interessierten bei der Suche nach Informationen. Das Kreisarchiv ist montags von 10 bis 12 Uhr, dienstags von 10 bis 14 Uhr und donnerstags von 15 bis 18 Uhr geöffnet. Am Mittwoch gibt es Termine nach Vereinbarung. Konkrete Fragen sollten per Mail an kreisarchiv@landkreis-osterholz.de vorab gestellt werden. So können etwaige Unterlagen schon im Voraus recherchiert werden.
