Weser Report: Am 14. Juni schließen bundesweit und auch in Bremen viele Apotheken aus Protest. Warum?
Thomas Real: Unser Berufsstand ist zutiefst frustriert und am Ende. Das hat mehrere Gründe. Einmal aufgrund der Personalknappheit und aufgrund der Lieferengpässe. Zudem werden wir nicht wertgeschätzt für unsere Arbeit und dementsprechend nicht angemessen bezahlt. Die nicht vorhandene Wertschätzung sieht man zum Beispiel daran, dass unsere oberste Vertreterin erst einen Gesprächstermin bei unserem Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach bekommen hat, nachdem sie sich öffentlich beschwert hat. Wir haben in der Pandemie sehr viele zusätzliche Aufgaben geschultert. Wie zum Beispiel die Maskenverteilung, die Verteilung der Impfstoffe, das Impfen selbst oder die Impfzertifikate. Und jetzt nach unseren Forderungen nach einem höheren Honorar rechnet man uns diese Sonderaufgaben vor, dass wir doch genug verdienen. Das ist ein echter Hohn.
Wie komm es zu der Personalknappheit?
Da gibt es auch verschiedene Gründe. Einmal, und das ist auch speziell für Bremen so, ist die Qualität der Schulabgänger so schlecht, dass nur 50 Prozent derjenigen, die eine PTA-Ausbildung beginnen, diese auch schaffen. Bei Apothekern sind früher 85 bis 90 Prozent der Absolventen in die öffentliche Apotheke gegangen. Heute sind es gerade Mal 50 Prozent. Das liegt einmal an den Gehältern, die gezahlt werden, aber auch an der Situation, dass die Aufgaben nicht so kreativ sind wie in der Industrie. Aber natürlich nicht weniger wichtig. Die Bevölkerung muss versorgt werden und wir brauchen die Apotheker auch vor Ort. Und um das deutlich zu machen, haben wir etwas bisher Einmaliges beschlossen. Und zwar zu schließen. Das hat es in der Geschichte der Bundesrepublik noch nicht gegeben. Schließlich hat jeder Mensch das Recht zu demonstrieren.
Und wie wird die Versorgung gewährleistet?
Wir haben einen Apotheken-Notdienst. Wir wollen die Menschen nicht alleine lassen. Die Versorgung von Alltagssachen wird vorher und nachher stattfinden und für Notfälle sind die Notdienst-Apotheken bereit. Die Apotheken, die eigentlich Mittwoch ab 19 Uhr Notdienst haben, sind auch den Tag über dienstbereit. Die Bevölkerung reagiert hier auch verständnisvoll und unterstützt uns.
Wie viele Apotheken in Bremen nehmen am Protest teil?
Laut unserer Umfrage haben wir über 80 Prozent, die schließen und 16 Prozent, die sich an der Aktion anderweitig beteiligen.
Immer mehr Apotheken schließen komplett. Wie hängt das zusammen?
Das ist natürlich eine Folge der wirtschaftlichen Situation. Jeder Betrieb hat gewisse Grundkosten wie Miete und Personal. Die Umsatzgrenze, bei der sich eine Apotheke noch lohnt, wird immer höher. Inzwischen liegt dieser bei 3 Millionen Euro pro Jahr. Apotheken, die weniger einnehmen, sind wirtschaftlich nicht lohnenswert. Beim Protesttag geht es um die Gesamtheit. Wenn in Bremen eine Apotheke schließt, ist die nächste nicht weit. Auf dem Land ist die Situation eine ganz andere. Das System als Ganzes muss gesichert sein.
Was für Forderungen haben Sie konkret an die Politik?
Wir haben zehn Forderungen, die alle miteinander zu tun haben. Einmal geht es darum, unsere Bezahlung entsprechend zu erhöhen und diese auch regelmäßig anzupassen. Damit einhergehend ist dann eine Art Grundsicherung. Das ist vor allem für die Apotheken auf dem Land wichtig. Wir wünschen uns zudem mehr Handlungsfreiheit für die schnelle Patientenversorgung, wie es schon zur Pandemie der Fall war. Hierzu muss die vorherrschende Bürokratie abgebaut werden. Es gibt so viele Regulierungen in unserem Bereich, dass viele Menschen, die bereits in Apotheken arbeiten, den Beruf verlassen.