Der Architekt und Stadtplaner Carl Zillich ist seit 2022 Hauptgeschäftsführer des Projektbüros Innenstadt, das sich im Auftrag der Stadtgemeinde Bremen um die Entwicklung des Zentrums zwischen den Wallanlagen und der Weser kümmert. Foto: Schlie Der Architekt und Stadtplaner Carl Zillich ist seit 2022 Hauptgeschäftsführer des Projektbüros Innenstadt, das sich im Auftrag der Stadtgemeinde Bremen um die Entwicklung des Zentrums zwischen den Wallanlagen und der Weser kümmert. Foto: Schlie
Interview

Radikale Mischung wagen

Von
Resümee von Innenstadt-Koordinator Carl Zillich nach dem ersten Binnenstadt Dialog

Weser Report: Wie hat Ihnen der erste Binnenstadt Dialog in der ehemaligen Sparkasse am Brill gefallen?

Carl Zillich: Wir können erstmal von einem Erfolg sprechen. Wir mussten sogar einige Absagen verschicken, weil sich mehr Leute anmelden wollten als die 200, die wir unterbringen konnten. Das war ein überwältigendes Interesse am Thema Innenstadt und auch an der Art der Veranstaltung. Dass wir Input von außen, Beteiligungs- und Diskussionsformate gemischt haben, hat funktioniert. Es waren drei lange Stunden in einem kalten Raum, aber die Leute haben sich nicht davon abschrecken lassen und haben gut mitgemacht. Schön war auch, dass die Qualitäten angesprochen wurden. Bremen hat ganz viel Potenzial. Wir müssen erneuern, aber wir müssen uns nicht immer so schlecht machen.

Warum hatten Sie gerade die öffentlichen Räume als Thema ausgewählt?

Wir wollten gerne da anfangen, wo die Stadt wirklich in der direkten Verantwortung ist. Beim Thema Innenstadt-Transformation geht es auch um die Frage, wie wir Verantwortung gut zuteilen können. Was kann die Stadt eigentlich selber leisten? Wofür sind Immobilienbesitzer und der Handel verantwortlich? Der Raum zwischen den Häusern gehört Bremen und da ist Bremen für verantwortlich. Da wollten wir den Finger drauflegen und gleichzeitig zeigen, dass konkrete Dinge wie der Domshof jetzt auch in die Umsetzung gehen.

Der Architektur-Theoretiker Friedrich von Borries hat in seinem Impuls-Vortrag kritisiert, dass sich Bremen zu sehr auf alte Konzepte konzentriere. Sehen Sie das auch so?

Er hat das ja so dargestellt, dass wir Menschen allgemein gerne das Bekannte als stabiles Standbein nutzen. Er hat uns alle aufgefordert mutiger zu sein und Unbekanntes zu wagen, auch wenn wir nicht genau wissen können, was kommt. Das gilt nicht für Bremen im Besonderen, sondern ganz allgemein. Es geht darum in Projekten zu denken, aber auch in Prozessen. Wir müssen mehr Mut haben, mehr Dinge auch mal temporär auszuprobieren. Der Open-Space am Domshof ist für mich schon so ein Beispiel dafür, wie er das gemeint hat. Da kann man Konzerte, Raves und eine Genussbox haben. Man hat schon gemerkt, das geht mit ganz schön vielen Bevölkerungsgruppen auf dem Domshof. Das müssen wir jetzt in Stein und Bauten umsetzen, um etwas Neues entstehen zu lassen. Und ja, Borries hat die Kritik geübt, dass wir ganz oft in den Klischees hängen – Sport aufs Dach, hier noch ein Café hin und so. Er hat versucht uns wachzurütteln, dass wir experimentierfreudiger werden müssen.

Was würden Sie denn gerne wagen?

Wir müssen wagen, in der Innenstadt eine radikale Mischung vorzusehen. Die hat eben auch mit dem öffentlichen Raum zu tun. Es sind die Privaten, die durch Umnutzung ihrer Immobilien das Wohnen in die Stadt bringen müssen. Die Stadt muss vorlegen, indem sie Aufenthaltsqualität bereitstellt, etwa durch einen grünen Innenhof. Das muss Hand in Hand gehen. Problem dabei: Wir müssen wagen, zu investieren, obwohl wir nicht wissen, wie das alles zusammenhängt. Wir können eben nicht sagen, dass wir den Innenhof nur umbauen, wenn die Privaten unterschreiben. Da müssen wir mehr vertrauen und auch mehr koordinieren. Wir müssen auch mehr Transparenz wagen, so dass sichtbar wird, wer hat eigentlich wo Verantwortung: was hat die Innenstadt mit dem Gemeinwohl zu tun und welche Pflicht erwächst aus Eigentum, wie es im Grundgesetz steht. Das geht an Ende bis zur Frage, die aus dem Publikum gestellt wurde: Wie handhaben wir es dann mit Internetshopping?

Welche Erkenntnisse hat der Binnenstadt Dialog gebracht?

Alle waren sich einig, egal, wo etwas anpackt wird, das Thema Klimaanpassung muss mitgedacht werden. Ob das jetzt das Grün ist, das Wassermanagement oder die Hitzeproblematik. Es war auch Konsens, dass wir die Vielfalt im Blick haben müssen. Seien es Kinder und Jugendliche, seien es ältere Leute, seien es Behinderte, die wir mitdenken müssen. Wir haben Rückenwind dafür bekommen mit den Projekten einerseits den Einzelhandel zu stabilisieren und andererseits eben neue Zielgruppen für die Innenstadt zu gewinnen.

Wann ist der nächste Binnenstadt Dialog geplant?

Im Frühsommer 2024. Das Thema lautet dann „„Wer spielt mit?“ Einerseits sind wir zufrieden, wie es jetzt gelaufen ist, andererseits müssen wir das Format weiter entwickeln. Es geht eben um das Zusammenbringen von großen Zusammenhängen und konkreten Projekten und darum, das mit der Bevölkerung auf verschiedenen Ebenen zu diskutieren. Zwischendurch wird es noch andere Formate geben, etwa eine Ausstellung zum Domshof oder eine Infoveranstaltung zum Parkhaus Mitte. Insgesamt wird es eine Mischung sein aus Information Information, Inspiration und Teilhabe

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren...

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner