1997 entstand eine neue jüdische Gemeinde in Delmenhorst. Sie setzt sich überwiegend aus Juden zusammen, die die Sowjetunion und die Nachfolgestaaten verlassen durften. Eine Vereinbarung zwischen dem letzten Präsidenten der Sowjetunion, Michail Gorbatschow und dem damaligen Bundeskanzler, Helmut Kohl, war dafür die Grundlage. Zeitgleich gründete sich ein Freundes- und Förderkreis, der die Gemeinde begleitet und unterstützt. Deren Mitglieder setzten sich auch für die mahnende Erinnerung an die Nazizeit vielfältig ein.
Die heutige jüdische Gemeinde hat knapp 200 Mitglieder und ist gut in Delmenhorst vernetzt. Die neue Synagoge ist in einem Flügel der früheren Volkshochschule und Berufsschule an der Louisenstraße untergebracht. Heute dienen die umgebauten Überbleibsel der ehemaligen Synagoge an der Cramerstraße als Wohnhaus. Wieder in Betrieb genommen werden konnte dagegen der jüdische Friedhof an der Syker Straße. Er wurde im Jahr 1848 angelegt.
Jüdischer Friedhof wurde 1948 angelegt
Überlebende der in der Nazizeit ausgelöschten früheren jüdischen Gemeinde gibt es in der neuen nicht. Aber es besuchten bereits einige Angehörige der früheren Gemeindemitglieder unter anderem aus Israel und den USA Delmenhorst.
„Es ist ein Wunder der Geschichte, dass 50 Jahre nach der Nazizeit wieder jüdische Bürger in der Stadt leben und zur Vielfalt der Religionen in der Stadt beitragen. Mögen die christlichen Kirchen, die Synagoge der Juden und die vier Moscheen in der Stadt sich auch weiterhin gut vertragen. Alle stehen unter dem Schutz der Verfassung und der Bürger und auch der Polizei“, berichtet Norbert Boese, Vorsitzende des Freundes- und Förderkeises der jüdischen Gemeinde.
Vielfalt der Religionen in Delmenhorst
Dann kam der Terroranschlag der Hamas am 7. Oktober mit einem Massenmord an israelischen Zivilisten, Ausländern und Gastarbeitern. Auch die Mitglieder der hiesigen Gemeinde haben Verwandte und Freunde in Israel, die mit ihnen ab 1990 die Nachfolgestaaten der Sowjetunion verlassen haben. Sie trauern mit den Familien um die Opfer. Die Stadt Delmenhorst hat ihre Solidarität mit Israel und der Delmenhorster Gemeinde erklärt und die Fahne Israels am Rathaus gehisst. „Vor 85 Jahren hat Deutschland, haben die Deutschen ihre jüdischen Mitbürger verraten und im Stich gelassen. Hoffentlich geschieht das nie wieder, was damals geschah. Alle Minderheiten in unserem Land müssen vom Staat geschützt werden, alle müssen sich ohne Polizei sicher fühlen können“, betont Boese.
Eng vernetzt ist der Freundes- und Förderkreis der jüdischen Gemeinde vor Ort mit Schulen. Im Vorfeld des 9. November (Pogromnacht) reinigen Schülerinnen und Schüler der Realschule Delmenhorst, Standort Lilienstraße, bereits seit mehreren Jahren die Stolpersteine in Delmenhorst und beschäftigen sich mit dem Pogrom. Die Klasse 8aL bereitete sich unter der Leitung ihres Klassen- und Geschichtslehrers, Clemens Tiedemann, auf die Aktion vor. Sie reinigten und polierten die Stolpersteine und legten auf jeden eine Rose ab.
Schüler der Realschule Delmenhorst, Standort Lilienstraße reinigen Stolpersteine
Boese dankte den Heranwachsenden für ihr Engagement und gab einen kurzen, historischen Abriss über die Geschichte der Juden in Delmenhorst, benannte den Standort der in der Pogromnacht niedergebrannten Synagoge an der Cramerstraße und schilderte den Verlauf des Pogroms. Auch aus Sicht der Schule ist die Aktion wichtig als Teil der Erinnerungskultur.
In enger Zusammenarbeit mit Norbert Boese beschäftigt sich auch der Geschichtskurs „Erinnerungskultur” der Wilhelm-von-der-Heyde Oberschule mit der jüdischen Geschichte in Delmenhorst und besuchten die Gedenkstätte Lager Sandbostel. Zwei Schülerinnen redeten bei der Gedenkveranstaltung am 9. November in der Synagoge.