Wer wegen Migration, Arbeitslosigkeit, Studium oder anderer Gründe ohne Krankenversicherung dasteht, hat spätestens beim Arztbesuch ein Problem. (Foto: Bilderbox) |
Bei Krankheit einfach zum Arzt? Das können nicht alle Menschen so einfach. Forscher der Bremer Uni wollen jetzt in Gröpelingen und der Neustadt untersuchen, wie Personen ohne herkömmliche Versorgung über die Runden kommen.
Im Rahmen des auf drei Jahre angelegten europaweiten Projektes „Welfare-Bricolage“ oder „Wohlfahrtsbastelei“ soll in vier Städten europäischer Staaten (in Deutschland, Schweden, Großbritannien und Portugal) jeweils in einem benachteiligten und einem wohlhabenderen Stadtteil untersucht werden, welche Praktiken und Strategien die Bewohner entwickelt haben, um eine für sie ausreichende Versorgung im Gesundheitssystem zu erhalten.
Schere zwischen Arm und Reich
Die Forscher schätzen, dass angesichts der immer weiter aufgehenden Schere zwischen Arm und Reich, die sozialen Probleme steigen und Bevölkerungsgruppen in den Städten nicht mehr am Gesundheitssystem teilhaben.
„Wir gehen davon aus, dass Gesundheitsversorgung unter den gesellschaftlichen Bedingungen der Globalisierung nicht mehr für alle Menschen ohne weiteres zugänglich ist“, sagt die Projektleiterin Dr. Michi Knecht vom Institut für Ethnologie und Kulturwissenschaft der Uni Bremen.
Gesundheitsversorgung „zusammenbasteln“
Prof. Dr. Michi Knecht. |
Deswegen würden sich gerade in sozial gemischten und prekären Stadtteilen ihre Gesundheitsversorgung immer häufiger „zusammenbasteln“.
In Gröpelingen und der Neustadt wollen Professorin Knecht, die Gesundheitswissenschaftlerin Dr. Florence Samkange-Zeeb und der Ethnologe Dr. Martin Gruber nun untersuchen, welche Alternativen die Menschen vor Ort entwickeln, die zum Beispiel nicht zum Arzt gehen, weil sie keine Krankenversicherung haben.
Niedrigschwellige Angebote
Was machen sie, bei Krankheiten? Einige finden zum Beispiel Hilfe bei niedrigschwelligen Angeboten, in religiösen Gemeinden, im Internet oder – bei Ausländern – in ihren Heimatländern. Welche Möglichkeiten gibt es noch?
Dr. Florence Samkange-Zeeb |
Bei der Untersuchung stehen die Forscher zunächst vor dem Problem, dass die zu untersuchende Bevölkerungsgruppe häufig in keiner Statistik auftaucht, bereits an den Rand der Gesellschaft gedrängt ist, oft über keine Meldeadresse verfügt und es zudem massive sprachliche Barrieren gibt.
Neue Wege in der Forschung
„Wir gehen neue Wege in der Forschung“, sagt Knecht. Gegenwärtig werden gerade Mitarbeiter (auf 450-Euro-Basis) gesucht, die die Wissenschaftler als „Community Researcher“ („„Stadtteil-Forscher“) unterstützen und Sprachkenntnisse (Bulgarisch, Türkisch, Russisch, Arabisch, Kurdisch) mitbringen sollen.
Dr. Martin Gruber (Fotos: pv) |
Über teilnehmende Beobachtungen, aufsuchende Arbeit, Befragungen und Kartierungen soll so erfasst werden, wie sich die Menschen im Stadtteil helfen und zugleich ihr Vertrauen gewonnen werden. Die Ergebnisse sollen bis zum kommenden Jahr ausgewertet werden und in einem zweiten Schritt mit einer Interview-Reihe begonnen werden.
4.800 Interviews werden geführt
Gerade Menschen mit wenig finanziellen Mitteln, müssen aus den unterschiedlichsten Gründen schon mal bei der Krankenabsicherung sparen.(Foto: Bilderbox) |
Insgesamt sollen in den vier europäischen Städten so 4.800 Befragungen durchgeführt und ausgewertet werden. Davon alleine 1.200 in Bremen.
Das auf drei Jahre angelegte Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit insgesamt 300.000 Euro gefördert und in Kooperation mit dem Leibniz Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie (BIPS) durchgeführt.
Weitere Informationen zu dem Projekt und der Mitarbeit als „Stadtteil-Forscher“ gibt es bei Dr. Florence Samkange-Zeeb unter der Rufnummer 21 86 76 42, unter samkange-Zeebuni-bremen.de und unter knechtuni-bremen.de per Mail.