Schneekunst zwischen Friedhofsgräbern

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Luzia Maurer schafft Skulpturen aus Schnee – auf dem Friedhof.

Ein ziemlich überraschender Anblick bietet sich gerade Besuchern des Friedhofs Woltmershausen. Zwischen den Gräbern liegen Körper – aus Schnee.
Eine Schneeschaufel und ein normaler Esslöffel sind die Werkzeuge von Luzia Maurer. Meistens aber arbeitet die Künstlerin aus Woltmershausen mit bloßen Händen. Dabei ist ihr Material eiskalter Schnee. „Ich liebe den Friedhof. Das ist ein Ort der Ruhe für mich“, sagt sie.

Und tatsächlich: Gerade jetzt, wo der Friedhof an der Woltmershauser Straße völlig eingeschneit ist, herrscht absolute Stille. Keine Menschenseele ist an diesem Vormittag unterwegs. Auf vielen Flächen ist die Schneedecke, die sich vor den Friedhofsmauern schon in matschiges Grau verwandelt hat, völlig unberüht.

Die Schneefiguren werden sich selbst überlassen.

Nur Luzia Maurer ist dort in diesen Tagen fast täglich anzutreffen. Bereits im vierten Jahr nutzt die 37-Jährige den Schnee, um daraus auf dem Friedhof in Woltmershausen liegende Skulpturen zu schaffen. „Beim ersten Mal habe ich es einfach heimlich gemacht“, erinnert sie sich. Im Gespräch mit den Friedhofsgärtnern sei schnell klar gewesen, dass sie mit ihrer Arbeit niemanden stört.

Zehn Stunden Arbeit 

„Die meisten Menschen reagieren positiv auf die Skulpturen“, erzählt Luzia Maurer. „Einige sind sogar gerührt.“ Seit der Schneefall in Bremen eingesetzt hat, ist die Woltmershauserin bei der Arbeit. Nicht etwa im Auftrag, sondern aus eigener Motivation. Bis zu zehn Stunden arbeitet sie an einer einzigen Schnee-Skulptur. Eingepackt in viele Schichten Kleidung verbringt sie gerade einen Großteil ihrer Zeit auf Friedhof. Alle Skulpturen hingegen sind nackt, „weil der Körper eben eine enorme Ausdrucksstärke hat“.

Zwei Figuren liegen zwischen den Gräbern.

Dass die Figuren zwischen den Gräbern liegen und nicht stehen, hat vor allen Dingen einen pragmatischen Grund. „Ich habe einmal eine stehende Skulptur gemacht und als ich nach neuneinhalb Stunden fertig war, ist sie zusammengebrochen.“

Vergängliche Kunst

Dabei ist die Vergänglichkeit ihrer Kunstwerke für Maurer sonst eigentlich kein Problem – im
Gegenteil. Sie ist Teil des Konzepts. „Ich restauriere die Skulpturen auch nicht“, sagt die 37-Jährige. Stattdessen sind sie der Natur überlassen, sodass ihr Erstling aus diesem Winter bereits mit Schnee bedeckt ist, der sich aber wie eine Bettdecke um sie hüllt.

Schmelzen die Figuren langsam, erinnere das stark auch an den menschlichen Verwesungsprozess. „Die Gesichter fallen ein und die Haut verändert sich“, beschreibt Maurer. Würde sie ihrer ungewöhnlichen Friedhofs-Ausstellung einen Namen geben, so wäre es wohl „Vergänglichkeit“.

Eine Frage treibt Betrachter ihrer eisigen Werke häufiger um. „Ist das ein Mann oder eine Frau?“, wird Luzia Maurer häufig gefragt. Ihre Antwort ist immer die gleiche: „Das ist Schnee.“

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