Dr. Goetz von Einem im Gespräch. Foto: Barth |
Dynamisch und positiv entwickelt sich der Arbeitsmarkt in Bremen. Durch die gute Konjunktur werden viele Stellen besetzt, erklärt der Chef der Agentur für Arbeit, Goetz von Einem, im Interview. Optimistisch ist er auch bei der Integration der Flüchtlinge, die auf dem Arbeitsmarkt benötigt werden.
Weser Report: Hat das Jahr 2015 Entspannung auf dem Arbeitsmarkt gebracht?
Dr. Goetz von Einem: Die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt war sehr gut in Bremen. Getragen durch eine gute Konjunktur hat uns die Wirtschaft viele Stellen genannt, die wir besetzen konnten. Allerdings sind die meisten von Personen besetzt worden, die nur kurz arbeitslos waren. Lediglich ein Drittel der Stellen konnten wir mit Menschen besetzen, die aus dem Bereich des SGB II, also aus dem Bereich Hartz IV, kamen.
Der Stellenindex für Bremen liegt bei 172, in Niedersachsen bei 234 und bundesweit bei 206. Haben wir nicht immer noch zu wenige Arbeitsplätze?
Nein, denn in den Wert für den bundesweiten Stellenindex fließen auch die süddeutschen Bundesländer mit herein, die sehr niedrige Arbeitslosenquoten und als Flächenländer deutlich mehr Stellenpotential haben. Wenn man sich die Kurve des Stellenindexes für Bremen ansieht, erkennt man, dass wir über längere Zeit auch in Bremen einen Höchststand erreicht haben.
Ist die Arbeitslosenquote von 10,1 Prozent auch ein Problem des Stadtstaates, in den viele aus dem Umland einpendeln?
Aus den Landkreisen um Bremen haben wir sehr viele Einpendler. Und viele von ihnen haben eine gute Ausbildung haben und können qualifizierte Stellen besetzen. Viele geringer Qualifizierte wohnen dagegen in der Stadt, zum Teil in den Brennpunkten. Dadurch massiert sich hier ein arbeitsmarktpolitisch problematisches Klientel. Die Infrastruktur in der Stadt ist besser für jemanden, der arbeitslos ist, als auf dem Land, zum Beispiel können Sie hier öffentliche Verkehrsmittel nutzen. Die ländlichen Räume zählen oft zu Gewinnern, so haben wir zum Beispiel im Landkreis Osterholz eine Arbeitslosenquote von 3,8 Prozent.
Welche Branchen sind denn für Stellensuchende interessant? Wofür sollte man sich qualifizieren?
Generell wird im Handwerk viel gesucht, da wird viel Beschäftigung gebraucht. Aber auch die Zahl der Jobs im Handel, im Verkauf oder den Dienstleistungen nimmt zu oder bleibt auf hohem Niveau. Da gibt es reichlich Ersatzbedarf: Mehrere Tausend Arbeitsplätze werden in diesen Branchen in Bremen jedes Jahr frei, weil viele Menschen in den Ruhestand gehen.
Und wo entwickelt es sich nicht so gut?
Es gibt eigentlich keine Branchen in Bremen, die so rückläufig sind, dass es dort in absehbarer Zeit keine Arbeitsplätze mehr geben wird. Weder die Mechanisierung oder das Internet können die Jobs komplett ersetzen. Zum Beispiel werden Sprechstundenhilfen immer gebraucht, oder Menschen in Pflege- oder Beratungsberufen. Die Arbeitswelt ändert sich sehr langsam, und Schlagzeilen über Arbeitsplatzabbau oder die Verlagerungen von Stellen in andere Regionen in bestimmten Branchen täuschen oft über einen Arbeitsplatzaufbau in anderen Bereichen hinweg.
Treten die Flüchtlinge, die in Bremen bleiben werden, eigentlich als Konkurrenz im Arbeitsmarkt auf?
Nein. Wir haben insgesamt ein großes Arbeitsvolumen. Viele Unternehmen suchen Auszubildende und qualifizierte Mitarbeiter. Das macht sich nicht nur an den uns genannten Stellen fest. Wir brauchen die Zuwanderung, letztlich auch wegen der demographischen Entwicklung. 2025 werden 6,5 Millionen Menschen in Deutschland weniger als Erwerbspotenzial zur Verfügung stehen. Wir werden aus dem Potenzial der Zuwanderung die Arbeitskräfte der Zukunft schöpfen müssen.
Aber wie soll das geschehen?
Durch eine Kette von Qualifizierungen: Erst gibt es Deutschkurse, dann die Qualifizierung, dann die Integration in den Arbeitsmarkt. Natürlich können zum Teil auch Qualifikationen anerkannt werden, aber in den meisten Fällen müssen die neuen Bürger komplett, von Grund auf, in unseren, für sie fremden, Arbeitsmarkt integriert werden.
Gibt es auch genügend Qualifizierungsangebote?
Wir haben momentan in Bremen und Bremerhaven 2299 Teilnehmer in den Einstiegskursen. 78,8 Prozent von ihnen sind männlich, und 48,6 Prozent unter 24 Jahre alt. Es kommen 83,9 Prozent der Teilnehmer aus Syrien. Was wir zukünftig wahrscheinlich noch mehr brauchen sind Deutschlehrer und Infrastruktur, wie Klassenräume.
Nun kamen im Jahr 2015 über 10.000 Menschen neu nach Bremen. Es gibt Angebote – so spricht die Handelskammer etwa von 700 Ausbildungs- und Praktikaplätzen. Trotzdem klafft da eine Lücke.
Ja, aber Sie müssen sehen, dass nur etwa 40 Prozent der Ankommenden im erwerbsfähigen Alter sind. Was die Handelskammer anbietet, ist eine tolle Initiative und ein Anfang. Natürlich müssen von allen Akteure gemeinsam langfristig noch mehr Angebote geschaffen werden.