Sie brauchten ein Weilchen, um sich zu äußern: Die Bremer Reaktionen auf die Landtagswahlen am Sonntag in gleich drei Bundesländern. Doch schließlich könnten die Ergebnisse auch kaum unterschiedlicher sein: In Baden-Württemberg sind die Grünen mit 30,3 Prozent der große Gewinner, in Rheinland-Pfalz die SPD mit 36,2 Prozent, in Sachsen-Anhalt war die CDU weiter stärkste Kraft mit 29,8 Prozent – doch in allen drei Bundesländern ist die AfD im Landtag vertreten, in Magdeburg gar mit 24,2 Prozent.
Dementsprechend nennen SPD-Landeschef Dieter Reinken wie auch CDU-Landeschef Jörg Kastendiek den Sonntag einen „Wahlabend mit Licht und Schatten“: An den Ergebnissen in allen drei Ländern sei deutlich geworden, dass die Menschen „klare Positionen und Leitlinien verbunden mit starken Persönlichkeiten“ honorierten, mahnt Kastendiek. Aber das Abschneiden der AfD sei in allen drei Ländern „beunruhigend“.
Mit dem Erstarken von Populisten beschäftigen
Das müsse bei allen etablierten, demokratischen Parteien zur Auseinandersetzung führen. „Auch wenn in der Bremischen Bürgerschaft die AfD mit nur einem Abgeordneten kaum eine Rolle spielt, müssen wir uns mit dem Erstarken von populistischen und nationalistischen Parteien beschäftigen und die Ängste und Sorgen der Menschen, die dazu führen, ernst nehmen“, mahnt der Bremer CDU-Chef.
Die AfD biete auf politische und gesellschaftliche Fragen einfache Antworten. In der Flüchtlingsdebatte gebe es diese Antworten nicht, aber offensichtlich herrsche der Wunsch vor, dass Politik verständlicher wird und näher am Bürger ist. Kastendiek: „Das nehmen wir als CDU Bremen als klaren Auftrag an.“ Die CDU wolle Arbeits- und Mitbestimmungsstrukturen auf den Prüfstand stellen, die Partei mehr nach außen auch für Nicht-Mitglieder öffnen und neue Veranstaltungsformate ausprobieren.
Konzentration auf wesentliche Fragen
Für die SPD kommt es nach dem Wahlsonntag darauf an, eine klare Haltung für „den gesellschaftlichen Zusammenhalt und für soziale Gerechtigkeit beizubehalten“, sagt Dieter Reinken. „Für Bremen bedeutet das: sich auf die wesentlichen Fragen konzentrieren. Bildung, Kinder, Wohnungsbau, Arbeit, Sicherheit – daran entscheiden sich die Fragen des gesellschaftlichen Zusammenhaltes.“
Er findet, auf „nice to have Themen“ sollte keine Energie verschwendet werden: „Unsere Zukunft entscheidet sich nicht am für und wieder von Canabis.“ Die Kernkompetenz der SPD liegt in den sozialen Themen. Politiker sollten Präsenz, Glaubwürdigkeit und Konsequenz zeigen.
Rechte Positionen seien salonfähiger geworden
Die Rolle der AfD beschäftigt auch Doris Achelwilm, die Landessprecherin der Linken in Bremen. „Das gesellschaftliche Klima hat sich bundesweit bereits vor längerem nach rechts verschoben, gestern gab es dafür die haushohe, bittere Bestätigung“, meint sie. Durch den „dramatischen Stimmenzuwachs für die AfD“ erscheinen rechte und antisoziale Positionen salonfähiger“, ganz gleich, wie gefährlich und frauen- wie fremdenfeindlich sie seien.
Dieser Entwicklung entgegenzuwirken, sei Aufgabe aller demokratischen Kräfte. Achelwilm: „Und es wird sich zeigen, ob insbesondere die auf Bundesebene regierenden CDU und SPD erkennen, dass es höchste Zeit für eine Politik ist, die gesellschaftlicher Entsolidarisierung und sozialer Verunsicherung mit Nachdruck entgegenwirkt.“ Die Linke sehe sich gefordert, von Solidarität getragene Politik mehrheitsfähiger zu machen.
Die AfD mit Argumenten stellen
Ralph Saxe, Landesvorsitzender der Grünen, freut sich allemal über das Abschneiden seiner Partei in Baden-Württemberg. „Dieses überragende Ergebnis ist aber nicht übertragbar auf Bremen“, fügt er hinzu. Bei den beiden anderen Wahlen seien die Grünen „mit einem blauen Auge davongekommen“. Insgesamt, so Saxe, überwiege bei ihm aber die Sorge über das Abschneiden der AfD. Gerade in Sachsen-Anhalt sei der Anteil der Menschen, die die AfD oder gar die NPD gewählt haben, sehr, sehr hoch.
„Wir müssen uns dem stellen und können nicht mehr eine Strategie fahren, bei der wir die Hände vor die Augen halten und hoffen, dass der Spuk von allein vorbei geht“, hält Saxe fest. Man müsse sich stattdessen mit der AfD auseinandersetzen, sich ihr mit Argumenten und Konzepten stellen, und nicht glauben, sie als „Schmuddelkinder“ einfach isolieren zu können.
Eine weitere Lehre aus den Landtagswahlen laut Saxe: Man habe es bald nicht mehr mit Volksparteien, sondern mit großen Parteien zu tun, und Koalitionen mit drei oder sogar vier Partnern werden wahrscheinlich.
Steiniger Weg zurück in den Bundestag
Am schnellsten nach den Wahlen war die FDP mit einer Einschätzung bei der Hand. Die Liberalen freuen sich, „einzige demokratische Partei zu sein“, die in allen drei Landtagswahlen Zugewinne verzeichnen konnte, sagt der Bremer FDP-Landesvorsitzende Prof. Dr. Hauke Hilz.
„Gerade nach der Wahl bei uns in Bremen freut es mich ganz besonders, dass es in Rheinland-Pfalz eine neue FDP-Fraktion in den Landtag gewählt wurde“, meinte er und fügt hinzu: „Der Weg zurück in den Bundestag ist noch weit und steinig. Wir werden ihn erfolgreich weitergehen.“